Richter Tarfusser: „EU ist kein Supermarkt“

Der Südtiroler Richter am Internationalen Strafgerichtshof Cuno Tarfusser übt Kritik an der Flüchtlingspolitik der EU. In seiner Heimat Bozen hat er über Migration und Sicherheit in Europa gesprochen.

Als Staatsanwalt in Bozen hat Cuno Tarfussser jahrelang gegen Kleinkriminelle und Mörder ermittelt. 2009 ging es dann nach oben in der Karriereleiter. Er wurde von den Vereinten Nationen in New York zum Richter des Internationalen Strafgerichts gewählt. Seit 2012 ist er dort Vizepräsident.

Cuno Tarfusser im Gespräch mit Patrick Rina

ORF

Richter Cuno Tarfusser im Gespräch mit Patrick Rina

Mit der EU-Politik hat Cuno Tarfusser oft zu hadern, vor allem in der Zusammenarbeit mit Osteuropa gäbe es viel zu verbessern. „Diese Länder glauben oft die EU ist ein Supermarkt, wo es nur Rechte gibt und keine Pflichten. Es kann nicht sein, dass sie keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. Manchmal habe ich den Eindruck, die Gemeinschaft verfolgt nach wie vor nur wirtschaftliche Interessen, die Wertegemeinschaft wird völlig vernachlässigt“, so Tarfusser. Ein Druckmittel, Staaten zu verpflichten Flüchtlinge aufzunehmen, gäbe es nicht, das Einzige was die EU tun kann, ist ökonomisch Druck auszuüben. Auch das müsse sich ändern, so Tarfusser.

Herausforderungen der Flüchtlingsströme

„In der Flüchtlingsfrage braucht es die Solidarität aller Mitgliedsstaaten“, sagt Cuno Tarfusser. Der Meraner ist seit 2009 Richter am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.

Die Schuld des Westens

Als Richter am Weltgerichtshof urteilt Tarfusser über Vebrechen, die erschaudern lassen. Viele seiner Fälle beinhalten Menschenrechtsverletzungen in Afrika, etwa an der Elfenbeinküste. „Mich wundert oft, dass im Verhältnis doch nur wenige Flüchtlinge nach Europa kommen, bei all dem was sich in ihrer Heimat abspielt“, so der Richter. Die EU versuche lediglich den Flüchtlingsstrom einzudämmen, dabei müsste sie versuchen, den Menschen in Afrika was zurückzugeben. „Jahrelang hat Europa seine Kolonien ausgebeutet und ist somit reich geworden. Wie kann es sein, dass in der Elfenbeinküste 70 Prozent Kakao exportiert wird und sich die Kinder dort keine Tafel Schokolade leisten können?“, fragt sich Cuno Tarfusser.

Sicheres Europa

„Europa ist sehr sicher, die Stimmen der Populisten schüren nur Angst“, sagt Cuno Tarfusser. Die Idee eines Anti-Terror-Gerichtshofes für die EU würde er begrüßen, immerhin müsse die EU stärker werden. „Auf der anderen Seite wird der Terror in Europa zu sehr aufgebauscht. Im Leben gibt es natürlich keine 100-prozentige Sicherheit, aber das Risiko bei einem Verkehrsunfall sein Leben zu verlieren, ist wesentlich größer“, so Tarfusser.