Uni Innsbruck zerpflückt Joanneum-Studie
Finanziert durch das Land Steiermark und mit Geldern der Tiroler Seilbahnwirtschaft hatten die Wissenschaftler von Joanneum Research in Graz in ihrer Arbeit im Mai 2017 dem Gebrauch von Schneekanonen einen positiven Klimaeffekt zugesprochen – mehr dazu in Kunstschnee ist positiv für Klima.
Mehrere CO2-Emmissionsquellen nicht berücksichtigt
Wolfgang Gurgiser, Koordinator des Forschungsschwerpunkts „Alpiner Raum – Mensch und Umwelt", hat sich die Grazer Studie daraufhin genauer angeschaut und kritisiert das Fehlen wesentlicher Punkte. Hinsichtlich des erwärmenden Effekts hätten die Autoren nicht berücksichtigt, dass CO2-Emmissionen mehrere hundert Jahre in der Atmosphäre wirken. Auch seien weder jene CO2-Emissionen berücksichtigt, die bei Errichtung der Beschneiungsinfrastruktur – wie Leitungsnetz, Pumpstationen oder Speicherteiche – entstehen, noch jene, die bei der flächenhaften Verteilung des Kunstschnees entstehen.
Auch der Transport von mobilen Beschneiungsanlagen sei nicht in die Studie miteinbezogen worden, so Gurgiser. Es würden auch Punkte hinsichtlich kühlender Effekt fehlen, so Gurgiser: „Zum Beispiel die Strahlungseigenschaften – der Schnee hat die Eigenschaft, stärker auszustrahlen als nicht schneebedeckte Oberflächen.“ Es sei eine Reihe von Punkten, „die es momentan absolut unmöglich machen, den endgültigen Effekt dieser zu definierenden Faktoren abschätzen zu können“, so Gurgiser.
Universität Innsbruck
Kaser: Schaden für alle Klimaforscher
Auch für den Innsbrucker Atmosphären- und Kryosphärenwissenschafte Georg Kaser ist die steirische Studie wissenschaftlich so nicht haltbar: „Es hätte nie hinausgehen dürfen, bevor es nicht wissenschaftlich überarbeitet, veröffentlicht und begutachtet wurde. Das ist auch das, was mich heute noch stört.“ Kaser ortet durch solches Vorgehen einen Schaden für alle österreichischen Klimaforscher.
Mit Hinblick auf die weiteren Handlungsoptionen könne eine Kooperation mit der Seilbahnwirtschaft - koordiniert durch das Schneezentrum Tirol - dazu beitragen, die noch offenen Fragen zu klären. Michael Rothleitner, Leiter des Schneezentrums, zeigte sich auf der Pressekonferenz zum Dialog bereit und begrüßte die angeregte wissenschaftliche Diskussion über eine der zentralen Fragestellungen über die Zukunft des Wintersports.
Studienautor weist Vorwürfe zurück
In einer Aussendung und gegenüber der APA wies der Grazer Volkswirt Franz Prettenthaler, Leiter des JR-Zentrums für Klima, Energie und Gesellschaft (LIFE) und Hauptverantwortlicher der besagten Studie, jegliche Vorwürfe zurück. So sei etwa die langfristige Wirkweise von CO2 in der Atmosphäre in der Studie berücksichtigt worden und hätten laufende Berechnungen ergeben, dass der Gesamteffekt auch dann positiv bleibt, wenn die indirekten Emissionen der Kunstschneeproduktion, etwa Ausstöße der Pistenraupen, miteinbezogen werden. „Unsere aktuellen Berechnungen zeigen daher, dass auch unter Einbeziehung all dieser Komponenten der Effekt bis 2030 noch immer klar im kühlenden Bereich liegt“, so Prettenthaler.
Wenn zudem die Umstellung auf CO2-neutralen Strom von der Branche weiterhin konsequent vorangetrieben würde und die Beschneiung somit rasch CO2-frei erfolge, könne auch langfristig ein dauerhaft kühlender Effekt erzielt werden. Über eine weitergehende konstruktive Zusammenarbeit mit anderen Forschungsinstituten zu der Thematik und einer vollständigen Klimabilanz des Skifahrens würde er sich indes sehr freuen, so Prettenthaler.