Stardesigner Sottsass wäre jetzt 100
Studio Ettore Sottsass
Ettore Sottsass wurde am 14. September 1917 in Innsbruck als Sohn von Antonia Peintner und des italienischen Architekten Ettore Sottsass senior geboren. Seine Kindheit verbrachte er in den Tiroler Bergen, die er immer wieder als prägend erwähnte. Der Name „Sottsass“ lässt sich vom Fels ableiten, denn „sotto sasso“ bedeutet auf Italienisch „unter dem Stein“, erklärt der in Wien lebende Tiroler Architekt Martin Feiersinger.
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Feiersinger beschäftigt sich seit seinem Studium mit dem heterogenen Werk des Exzentrikers. Er hat mehr als 60 teilweise bereits vergriffene Bücher und Zeitschriften von und über den vielseitigen Gestalter gesammelt. „Einer der sich als Mann der Berge bezeichnet, aus Innsbruck stammt und zum Weltstar wurde – wie passt das zusammen?“ fragt sich Feiersinger.
Studio Ettore Sottsass
„Elea“ – der erste italienische Computer
Nach dem 2. Weltkrieg arbeitete der studierte Architekt im Büro seines Vaters in Turin, doch der soziale Wohnbau der italienischen Nachkriegszeit fesselte den jungen Kreativen nicht langfristig. Er wechselte zum Design, ging nach Mailand und lernte durch Zufall Roberto Olivetti kennen, den Chef des italienischen Elektronikimperiums. Olivetti könnte man heute mit der Firma Apple vergleichen.
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1957 gestaltete Sottsass den ersten vollständig in Italien entwickelten Computer. Dabei arbeitete er eng mit einem internationalen Team von IT Spezialisten zusammen. Den nach der antiken, griechischen Stadt der Mathematiker „Elea“ benannten Computer bezeichnete er als „elektronische Landschaft“, denn die Technik füllte damals einen ganzen Raum.
Die rote „Valentine“ wird zur Design-Ikone
1968 entwarf Sottsass für Olivetti die kleine rote Schreibmaschine „Valentine“, die heute ihren Platz im Museum of Modern Art in New York hat. Viele Intellektuelle genossen die neue Freiheit, mit der praktischen kleinen Koffer-Schreibmaschine überall arbeiten zu können. Mit seiner ersten Frau der Übersetzerin Fernanda Pivano bewegte sich Sottsass im Kreis von Schriftstellern wie Ernest Hemingway oder Allen Ginsberg.
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Auch David Bowie besaß eine „Valentine“, auf der er nach eigenen Angaben einige Songtexte getippt hat. Das persönliche Exemplar von David Bowie erzielte bei der Versteigerung seiner Kunstsammlung bei Sotheby´s in London im November 2016 den Preis von 45.000 Pfund.
Jürgen Hans
Quietschbunt und durchgeknallt
Eine Provokation für die strenge, von der klassischen Moderne geprägte Designwelt war die Gründung der Gruppe Memphis im Jahr 1980. Ettore Sottsass traf sich mit Gleichgesinnten in seiner Mailänder Wohnung, unter ihnen waren Matteo Thun und seine zweite Frau Barbara Radice. Im Hintergrund war Bob Dylans Song „Stuck Inside of Mobile with the Memphis Blues Again“ zu hören.
Sottsass wählte den mehrdeutigen Namen „Memphis“ für die neue Gruppe wegen der Rock und Blues-Stadt Memphis Tennessee in den USA aber auch in Anlehnung an die altägyptische Stadt Memphis. Quietschbunt und durchgeknallt sollten die Objekte sein und vor allem eines: eine radikale Absage an die strenge Funktionalität, sozusagen das Ende des Designs. Die Doktrin „form follows function“ verwandelten die Memphis Mitglieder kurzerhand in „form follows fun“.
Bruno Gecchelin
Stardesigner oder Verrückter
„Sottsass war ein Künstler der sich aufgelehnt hat“, sagt Architekt und Sottsass-Experte Martin Feiersinger, „wenn sich alle Architekten schwarz anziehen, dann zieht er sich gelb, grün und rot an. Er ist der Designer, der die Farben in die Welt zurückgebracht hat. Der Rebell liebte es, das Gegenteil zu machen. Manche Möbel von Memphis kann man tatsächlich nicht benutzen. Vielen ernstzunehmenden Architekten geht die Kritik am Rationalismus zu weit. Sie finden, Sottsass sei ein Verrückter gewesen“, erklärt Feiersinger.
Bei der Eröffnung ihrer ersten Ausstellung in Mailand im Dezember 1981 waren die Revoluzzer und „Anti-Designer“ von dem internationalen Interesse von Journalisten und Kunstsammlern überwältigt. In den Straßen rund um die Galerie kam es zu einem Verkehrschaos, erinnert sich Ettore Sottsass im ORF Interview im Jahr 2002. „Wir hatten ja gar keine Ahnung, dass wir so etwas Radikales machten. Das kam uns nicht in den Sinn. Wir fanden einfach, dass es notwendig war.“
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Das Bücherregal „Carlton“ gilt als Sinnbild für die Strömung. Ohne rechten Winkel bringt man darauf nur wenige Bücher unter. Alltägliche Materialien kamen zum Einsatz billiges Laminat statt Marmor lautete die Devise. Die Memphis Mitglieder experimentierten lustvoll mit poppigen Mustern. Großen kommerziellen Erfolg hatten sie damals nicht, auch wenn Kunstsammler und Hochglanzmagazine die Objekte feierten und David Bowie sein Loft in London mit Memphis Möbeln einrichtete.
Studio Ettore Sottsass
Die Grenzen der Machbarkeit ausreizen
Nach wenigen Jahren verließ Ettore Sottsass die Gruppe Memphis. Die kreative Rastlosigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch seine Biografie. Er wechselte die Genres, experimentierte mit den unterschiedlichsten Materialien – auch mit Keramik und Glas. Dabei reizte es ihn, die Grenzen des Machbaren auszuloten, wie die Ausstellung in der Fondazione Giorgio Cini in Venedig zeigt.
Martin Feiersinger
Innsbrucker wird international gefeiert
Gegen Ende seiner Karriere kehrte Ettore Sottsass zu seinen Wurzeln, der Architektur, zurück und baute monumentale Villen, etwa für den Kunstsammler Bruno Bischofberger in Zürich und bunte Paläste in Singapur oder Japan. Architekt Martin Feiersinger fasziniert die vitale Schaffenskraft und der ungebrochene Gestaltungsdrang des unkonventionellen Tirolers. Auch im Alter von 90 Jahren zeichnete Sottsass täglich. Am Silvestertag 2007 starb er in seiner Wohnung in Mailand. Anlässlich seines 100. Geburtstages feiern Ausstellungen in Mailand, Weil am Rhein und New York das Werk des prominenten Innsbruckers.
Teresa Andreae, tirol.ORF.at