Neue Knochen für junge Tumorpatienten

Nicht nur überleben, sondern wieder normal laufen können – das wird jungen Knochentumorpatienten an der Innsbrucker Orthopädie ermöglicht. Als eines von drei Tumorzentren österreichweit bietet die Klinik Patienten eine Prothese an, die den operierten Knochen wieder wachsen lässt.

„Schmerzen habe ich eigentlich keine gehabt, aber ich bin gehumpelt,“ erinnert sich die 17-jährige Elena, eine der TumorpatientInnen an der Innsbrucker Klinik. Damals bei einem Tennisturnier habe man sie auf das Humpeln angesprochen. Ein Arztbesuch brachte die Diagnose: Knochenkrebs – eine besonders aggressive Tumorform. Damals war die Schülerin zehn Jahre alt.

Elena mitwachsender Knochen im Krankenhaus

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Elena in jungen Jahren im Krankenhaus nach ihrer Diagnose: Knochenkrebs

Normal laufen mit Wachstumsprothese

Angst hatte sie wohl, wie sie erzählt, aber keine große: „Ich war noch klein und habe nicht wirklich alles verstanden.“ Seitdem ist Elena an der Innsbrucker Klinik in Behandlung. Zwei Chemotherapien und die operative Entfernung des Tumors hat sie bereits hinter sich. Dass sie heute aber nicht nur lebt, sondern wieder normal laufen kann, verdankt sie einem zusätzlichen Eingriff vor zwei Jahren: der Implantation einer speziellen Wachstumsprothese.

Elena mitwachsender Knochen

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Elena mit ihrer Mutter am Inn beim Gespräch mit dem ORF

Eine Prothese, die Knochen verlängert

„Beim Herausoperieren des Tumors muss man oft den betroffenen Knochen und das Gelenk entfernen,“ erklärt Dr. Martin Thaler von der Orthopädie Innsbruck, dadurch wachse aber das Bein an der betroffenen Stelle nicht mehr weiter und bleibe oft wesentlich kürzer als das andere. „Durch Wachstumsprothesen oder sogenannte Wachstumsnägel besteht nun die Möglichkeit, dass das betroffene Bein gleich lang werden kann, wie das gesunde.“

Elena mitwachsender Knochen

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Röntgenbild: Elenas Bein mit implantierten Wachstumsnägeln zu Beginn der Behandlung (l) und gegen Ende hin (r)

Dafür wird eine Art Motor in die Prothese eingebaut, der einen Sensor besitzt. Über diesen Sensor können Impulse ins Bein abgeben werden. Mit jedem Impuls schiebt sich die Prothese weiter auseinander und zwingt den Knochen dazu, nachzuwachsen.

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Elena erklärt wie ihr Bein durch die Prothese wachsen konnte. Jedes Mal, wenn sie auf das Gerät drückt, wächst der Knochen um hundertstel Millimeter. So wurde bei Elena schließlich eine Verlängerung von 7 cm erreicht.

Sendungshinweis:
Tirol Heute, 5.6.2017
ab 19.00 Uhr

Ein Segen für die Patienten

Früher musste das Bein oft amputiert werden. Die Wachstumsprothese gibt es seit zehn Jahren, wird ständig weiterentwickelt und ist ein großer Segen für die Patienten, betont Thaler: „ Durch sie können die Patienten nach der OP wieder eine normale Körpergröße erreichen. Außerdem ist heutzutage das Aussehen oft sehr wichtig, speziell für junge Leute – die Prothese ermöglicht gleich lange Beine. Dadurch ist auch ein normaler Gang möglich, ohne Hinken und ohne Wirbelsäulenbeschwerden.“ Mit Disziplin und entsprechendem Aufbautraining sind auch sportlichen Aktivitäten keine Grenzen gesetzt – sofern es nicht gerade Bungee Jumping ist, scherzt Thaler.

Elena mitwachsender Knochen

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Elena beim Muskelaufbautraining mit der Physiotherapeutin

Die mit den Krücken tanzte

Oft ist es allerdings ein hartes Stück Arbeit, die Beweglichkeit und Muskulatur der Beine nach der OP wiederherzustellen – so auch bei Elena. Lange waren Krücken ihre ständigen Begleiter. Oft sei das mühsam gewesen, aber sie habe sich nicht davon abschrecken lassen und alles mit den Krücken gemacht: „Ich bin Rad gefahren, habe in der Schule Ausflüge auf kleinere Berge mitgemacht und sogar einen Tanzkurs besucht,“ schildert die Schülerin. Heute sind Knie und Beine wieder fast auf gleicher Höhe und werden durch die Physiotherapie stets kräftiger. Die Narben bleiben zwar, sind aber ein relativ kleiner Preis fürs Überleben und normal laufen können.

Elena mitwachsender Knochen Reiten

Privat

Elena bei einer ihrer Lieblingssportarten

Nur manchmal habe sie noch Angst, dass der Tumor zurückkehren könnte, gibt Elena zu: „Vor allem vor größeren Untersuchungen ist immer noch ein kleinwenig Zittern dabei.“ Nichtsdestotrotz ist sie zuversichtlich, es sei ja schließlich schon eine ganze Weile her. Vorerst freut sie sich auf den Sommer: Da sollen endlich die Schrauben raus- und die fixe Prothese reinkommen. Damit stehen der begeisterten Reiterin, Radfahrerin und Läuferin auch ihre Lieblingshobbys wieder offen.

Julia Ecker; tirol.ORF.at