Der „Bär“ trainiert mit seinen Russen in Tirol
Mit 23 Feldspielern und vier Torhütern hat Teamchef Stanislaw Tschertschessow, einst erfolgreicher und beliebter Torhüter beim FC Tirol, das Camp in Neustift im Stubaital aufgeschlagen. Trainiert wird streng geheim, Plastikplanen schützen vor ungeliebten Blicken. Auch eigene Security-Leute verwehren den Zugang zum Platz. Untergebracht ist die „Sbornaja“ und ihr großer Betreuerstab im Fünf-Sterne-Hotel Jagdhof.
ORF
Auch Spanien war schon zwei Mal im Stubaital
Trainiert wird täglich eineinhalb Stunden im „Estadio Espana“, wie der Fußballplatz in Neustift offiziell heißt. Dass Russland deswegen das Trainingslager im Stubaital gewählt hat, verneint Tschertschessow. Immerhin war Neustift das Heimcamp der Iberer bei der EURO 2008, hier bereitete Vicente del Bosco die Mannschaft auch auf die WM 2010 in Südafrika vor. Damals wurden die Spanier um Xavi, Andres Iniesta und den anderen Stars Europa- und Weltmeister.
Training am Fuße des Gletschers
„Alles ist gut, wir sind hier sehr zufrieden und ich hoffe die Leute sind es mit uns auch“, betont Tschertschessow gut gelaunt im Gespräch mit dem ORF Tirol, während der Presse-Attaché die rund zehn mitgereisten russischen Journalisten brieft. „Wir haben hier ideale Bedingungen“, betonte der 49-fache frühere Nationaltorhüter Russlands (inklusive UdSSR und GUS) mit Blick auf die Gletscher im herrlichen Sonnenschein.
Da ist augenscheinlich noch immer viel Liebe Tschertschessows zu Tirol: Als Spieler des FC Tirol war er Publikumsliebling und Kultfigur bei drei Meistertiteln (2000, 2001, 2002). Seine ersten Sporen als Trainer verdiente sich Tschertschessow beim FC Kufstein (Regionalliga West) und betreute schließlich auch den FC Wacker Innsbruck. Seinen größten Erfolg als Trainer feierte er danach mit dem polnischen Meistertitel für Legia Warschau.
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Stani ist ein halber Tiroler
Regelmäßig besucht er Tirol, weil er hier viele Freunde und Bekannte hat und seine Tochter in Innsbruck die Uni besucht.
Völlig neues Team mit kaum Legionären
Nach der für Russland enttäuschenden Europameisterschaft im Vorjahr mit nur einem Punkt aus drei Spielen übernahm der 53-Jährige die „Sbornaja“ und krempelte die Mannschaft um. 80 Prozent der Spieler sind neu, einziger Legionär ist Roman Neustädter von Fenerbahce Istanbul. Wohl auch deshalb, weil in der russischen Liga inzwischen stattliche Gehälter gezahlt werden.
Druck vor der großen Erwartungshaltung in seiner Heimat verspüre er nicht. „Vielmehr macht die Arbeit mit der Mannschaft viel Spaß“, erzählte Tschertschessow, „und es ist natürlich eine große persönliche Auszeichnung. Ich hoffe, wir überzeugen beim Confed-Cup und nächstes Jahr bei der WM.“ Viel Arbeit wartet da noch auf den Tirol-Liebhaber: „Zuhause wird man mich in den nächsten Monaten selten sehen.“
An die Heim-WM denkt „Stani“ noch nicht
Beim Confed-Cup trifft Russland auf Neuseeland, Portugal und Mexiko. Sollte der Gastgeber die Gruppenphase überstehen, könnte Tschertschessow auf seinen früheren Trainer Joachim Löw treffen: „Das wäre toll, dann haben wir ein Ziel erreicht.“
Zuvor testet Russland noch am 5. Juni in Budapest gegen Ungarn und danach gegen Chile. Dass der fixqualifizierte WM-Gastgeber im Vorfeld des Großereignis 2018 abgesehen vom Confed-Cup keine großen Herausforderungen in Qualifikationsspielen hat, lässt „Stani“ kalt. Er bezeichnet die Länderspiele auch nicht als Tests, sondern als „Bewährungsspiele“. „Da können sich die Spieler aufdrängen“, meint er.
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Sportlich Schritt für Schritt
An die WM denkt Stani noch nicht und Druck lässt er sich und seiner Mannschaft auch nicht machen. Vorerst geht es um ein gutes Abschneiden im Confed-Cup.
Stubaital hofft auf WM-Vorbereitung 2018
Nur wenn die Sprache auf die umstrittene russische Sportpolitik, die Doping-Schlagzeilen oder die gravierenden Hooligan-Krawalle im Vorjahr bei der EM in Frankreich kommt, wird Tschertschessow mürrisch und kehrt den „russischen Bär“ heraus: „Diktiergerät aus, weg mit dem Block. Es gibt keinen Kommentar, keine Antwort. Ich bin kein Politiker.“
Kein Geheimnis mach man im Stubaital daraus, dass man von der russischen Nationalmannschaft und ihrem Trainer hoch zufrieden ist. Man versucht, der Sbornaja beste Bedingungen zu schaffen, damit sie sich auch kommendes Jahr für die Vorbereitung auf die Heim-WM erneut im Stubaital einquartiert. Da wäre das Medienecho ein Vielfaches, wissen die Verantwortlichen aus Erfahrung.