Fußball wichtige Waffe gegen den Hass

Für den Psychiater und Gerichtsgutachter Reinhard Haller ist Kultur das beste Mittel gegen Hass. Das große Aggressionspotenzial in der Menschheit müsse kultiviert werden. Eine wichtige Rolle komme dem Sport und besonders dem Fußball zu.

Focus Reinhard Haller

Reinhard Haller

Reinhard Haller

In der heutigen Form des Terrorismus, aber auch in den Formen des Hasses im Netz sieht der Vorarlberger Psychiater eine „Primitivisierung“. Terror richte sich heute nicht gegen gewisse andere Gruppierungen sondern gegen die Allgemeinheit, gegen die heile und gesunde Welt, die vom Täter aber als kalt und verständnislos erlebt wird, an der er sich rächen will. Im Hintergrund stünden häufig Kränkungserlebnisse. Terrororganisationen würden die Möglichkeit verheißen, einmal die Sau rauslassen zu können und sich in der gottähnlichen Situation zu fühlen, Herr über Leben und Tod zu sein.

Hass wird heute weniger kultiviert

Haller sagte in dem Interview gegenüber dem ORF Tirol weiter, er glaube nicht, dass es heute mehr Hass gebe als vor 20 Jahren, Hass werde aber weniger kultiviert und komme in Formen daher, die man in einer Welt des 21. Jahrhunderts nicht mehr erwartet hätte. Die Ursache für die primitiver werdenden Formen sieht Haller in mangelnder Gelegenheit dazu, Hassenergie in positive Formen der Auseinandersetzung umzuwandeln, etwa durch Sport, wirtschaftlichen Wettbewerb oder kulturelle Leistungen.

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GEPA pictures / Philipp Brem

Beim Fußball kann sich Aggression entladen

Besonders bei jungen Männern sei das Aggressionspotenzial hoch. Hier kommt laut Haller dem Sport eine enorme Bedeutung zu, besonders dem Fußball. Hier würden Gefühle auf mehr oder minder verträgliche Weise sublimiert, die man sonst in Krieg und Terror auslebe. Früher habe es andere Formen gegeben, Hass loszuwerden, etwa durch starke körperliche Arbeit oder große Kriege. Heute gebe es hingegen oft einen Leerlauf von aggressiver Energie, was sich in Terroranschlägen oder Hass im Netz kanalisieren könne.

Hass im Netz hat auch positive Aspekte

Gerade dem Hass im Netz kann Haller auch etwas Positives abgewinnen. Er sei sehr lästig und unangenehme für diejenigen, die davon betroffen seien und einen Shitstorm über sich ergehen lassen müssen, „psychologisch ist er aber wahrscheinlich gar nicht so ungesund“. In den letzten 50 Jahren habe es einen massiven Rückgang an Kriegen, Tötungsopfern, Morden und Sexualdelikten gegeben, das habe auch damit zu tun, dass sich Verbrechen virtualisieren, „es fließt nicht mehr Blut, sondern es geschieht auf einer anderen Ebene. Das bringt verschiedene Gefahren mit sich, hat aber auch vielleicht manche Vorteile“.

Ein Problem mit dem Hass im Netz ortet Haller in der Mentalität der westlichen Welt, in welcher der Ehrbegriff überhaupt keine Rolle mehr spiele, im Gegensatz zu anderen Kulturen, in denen Ehre, Beleidigung und Kränkung noch sehr viel gelten. Man müsse den Menschen signalisieren, dass man auch im Internet seinen Hass nicht auf Kosten anderer ausleben kann, so Haller. Außerdem gelte es, Hass nicht zu verherrlichen, sondern die psychologischen Hintergründe aufzuzeigen, „die weniger heldenhaft sind sondern darauf hinweisen, dass es sich hier oft um jämmerliche Feiglinge handelt“.