Pflegeheim-Bericht deckt massive Defizite auf

Zu wenig Personal und uneinheitliche Standards stellt die Volksanwaltschaft in Wohn- und Pflegeheimen in ganz Österreich fest. In ihrem Jahresbericht ist auch von haarsträubenden Vorfällen in Tiroler Heimen zu lesen.

28 Tiroler Heime besucht

Österreichweit haben die Kommissionen der Volksanwaltschaft 125 Alten- und Pflegeheime teils ohne Vorankündigung besucht. In Tirol wurden 28 Heime unter die Lupe genommen.

Akuten Handlungsbedarf gab es laut Volksanwaltschaft bei einer inoffiziellen Betreuungseinrichtung. Laut Bericht handelt es sich um ein zweigeschoßiges Wohnhaus in abgeschiedener Lage mit kärglicher Einrichtung. In Zweibettzimmern waren dort zehn ältere Männer - teils behindert, teils psychisch krank - nahezu eingesperrt. Die Bewohner verfügten über keine Schlüssel, es herrschte Handyverbot und Kontakte nach außen wurden nicht gefördert, heißt es im Bericht.

Einige Männer bereits in neuen Unterkünften

Über Jahre und teilweise Jahrzehnte sollen die Männer von einem Ehepaar und dessen Schwiegertochter - allesamt ohne jegliche fundierte Ausbildung im Umgang mit psychiatrischen Patienten - betreut worden sein. Mittlerweile konnten in Absprache mit dem Landeskrankenhaus, den Sachwaltern und der Behörde für einige Männer geeignete Heimplätze gefunden werden, heißt es. Weitere Unterbringungsmöglichkeiten werden gesucht.

Positives Arbeitsklima tut allen gut

Aus den Befragungen der Kommission geht hervor, dass von einem positiven Arbeitsklima nicht nur das Pflegepersonal, sondern auch die Heimbewohner profitieren. Auch personelle Engpässe würden besser überbrückt werden können. Negative Stimmung im Team und ungelöste Teamkonflikte bewirken oft das Gegenteil.

Ebenfalls in einem Heim in Tirol führten laut Kommission Streitigkeiten im Team dazu, dass inkontinente Bewohner, die vom Tagdienst ohne pflegerische Maßnahmen zu Bett gebracht wurden, auch vom Nachtdienst bewusst nicht gereinigt und versorgt wurden. Eine Pflegekraft wurde nach Bekanntwerden der Vorfälle deshalb gekündigt.

Pflegeheim

ORF

Für die notwendige Bewegung oder regelmäßige Spaziergänge ins Freie ist offenbar oft zu wenig Personal zur Verfügung.

Mit Medikamenten ruhig gestellt

Eine Form der freiheitsbeschränkenden Maßnahmen ist jene mit Medikamenten. Hier berichtet die Volksanwaltschaft von einem Tiroler Heim, in dem fast der Hälfte der betreuten Bewohner ohne notwendiger ärztlicher Diagnose Psychopharmaka verabreicht wurden. Generell wird in dem Bericht der Volksanwaltschaft kritisiert, dass ein einmal verabreichtes Psychopharmakon nur mehr sehr selten abgesetzt wird.

Personelle Unterbesetzung oft Hauptgrund

Ob beim Einsatz von Psychopharmaka oder einem angespannten Arbeitsklima - häufig seien der Grund dafür die fehlenden Personalressourcen. Diese führten auch dazu, dass Bewohner beispielsweise viel zu selten ins Freie oder überhaupt bewegt werden, heißt es. Wenn solche notwendigen Pflegemaßnahmen auf Grund Zeitmangels nicht durchgeführt werden können, sei das auf Dauer auch für die Mitarbeiter frustrierend. Hier müsse die Attraktivität der Pflegeberufe deutlich gesteigert werden.

Patient im Krankenbett und Pflegeperson

Gerhard Berger

Bundesweit gibt es laut Volksanwaltschaft nach wie vor große Unterschiede im Pflegebereich.

Politik in der Verantwortung

Die Volksanwaltschaft kommt in ihrem Bericht zum Schluss, dass die von der Politik gestalteten Rahmenbedingungen österreichweit den Herausforderungen im Bereich der Altenpflege nicht gerecht werden. Weiters wird kritisiert, dass die vom Bund geforderte Vereinheitlichung der Altenpflege, die ja Ländersache ist, weit entfernt ist. Von bundesweiten Mindeststandards könne keine Rede sein.

In Tirol etwa werde beispielsweise der Personalaufwand nach wie vor nach dem umstrittenen Minutenschlüssel, der die Zeit für diverse Pflegebehandlungen limitiert, berechnet. Zudem gebe es keine verbindliche Regelung für die Besetzung von Nachtdiensten. Die Zunahme von Menschen mit Demenz und kognitiven Beeinträchtigungen erfordere Präsenz und hohes geriatrisches Know-How. Der dafür zusätzliche Aufwand werde in Personalschlüsselberechnungen nicht ausreichend abgebildet, stellt der Volksanwalt fest.

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