Tiroler Beschäftigte verdienen am wenigsten

Unselbständig Beschäftigte verdienen in Tirol am wenigsten. Das zeigt der aktuelle Bericht des Rechnungshofs. Das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen liegt bei 24.826 Euro und damit neun Prozent unter dem Österreichwert.

Mit einer Höhe von 29.685 Euro als durchschnittlichem Bruttojahreseinkommen lagen die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher im Jahr 2015 an erster Stelle. Die zweithöchsten Einkommen wurden im Burgenland erreicht mit 29.093 Euro. Deutlich dahinter – mit durchschnittlich jährlich 24.826 Euro – lagen die Tirolerinnen und Tiroler an letzter Stelle im Bundesländervergleich und damit auch deutlich unter dem Österreichschnitt.

Mittlere Bruttojahreseinkommen nach Bundesländern und Geschlecht 2015

Rechnungshof/Statistik Austria, 2016

Mittlere Bruttojahreseinkommen nach Bundesländern und Geschlecht 2015

Im Schnitt 18.360 Euro netto jährlich

Wie schon beim Bruttojahreseinkommen liegt Niederösterreich auch bei den durchschnittlichen Nettojahreseinkommen mit 21.418 Euro für alle unselbstständig Erwerbstätigen (inklusive nicht ganzjährig und Teilzeitbeschäftigte) vorne. In Tirol blieben den unselbstständig Erwerbstätigen nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge im Jahr 2015 im Mittel 18.360 Euro übrig – über 3.000 Euro weniger als in Niederösterreich.

In diese Statistik sind auch Teilzeitbeschäftigte und Saison-Arbeiter eingerechnet. Auch wenn man die Einkommen für Vollzeitbeschäftigte berechnet, bleibt Tirol an letzter Stelle, wenn auch die Abstände zu den anderen Bundesländern kleiner werden.

Branchen sind wichtiger als Bundesland

Wie der Rechnungshof feststellt, zählt weniger das Merkmal „Bundesland“ sondern die Branchen, in denen die Beschäftigten tätig sind, um die Einkommensunterschiede zu erklären. Demnach ist in Tirol der Anteil der Arbeiter mit 44 Prozent auffallend hoch. Auch sind hierzulande mit 14 Prozent fast doppelt so viele Menschen in der Beherbergung und Gastronomie tätig, wie im österreichischen Durchschnitt.

Wirtschaft weiß um das Ungleichgewicht

Der Präsident der Tiroler Wirtschaftskammer Jürgen Bodenseer will das Argument, dass die Tiroler Wirtschaft grundsätzlich schlechter zahle, nicht auf sich sitzen lassen. Es sei eine Frage der Kollektiverträge, der Branchen und hier ansässigen Betriebe, meinte er: „Dass im Tourismus und im Dienstleistungsgewerbe aufgrund des Kollektivs geringere Löhne ausbezahlt werden, als in hochautomatisierten, hochtechnisierten Produktionsbetrieben, mit einer ganz anderen Wertschöpfung, das wissen wir.“ Dafür sei die Arbeitslosenquote im österreichweiten Vergleich in Tirol am geringsten, so Bodenseer.

ÖGB fordert Änderung des Steuersystems

Der ÖGB-Vorsitzende Otto Leist forderte, die wachsende Einkommenskluft zwischen Gut- und Schlechtverdienern dringend zu stoppen, denn eine Zwei-Klassengesellschaft berge jede Menge sozialen Zündstoff in sich. „Wir müssen unser Steuersystem in den nächsten Jahren grundlegend ändern und der Zeit anpassen, anstatt medienwirksam eine Kürzung der Mindestsicherung zu fordern." Leist sprach sich zudem für die Einführung eines kollektivvertraglichen Mindestlohns von 1.500 Euro aus.

Für den Präsidenten der Arbeiter Tirol Erwin Zangerl steht außer Frage, dass in Tirol zu wenig Lohn bezahlt wird: „Man weiß seit Jahren, dass wir mit den Löhnen nachhinken und bei den Preisen an der Spitze sind.“

Liste Fritz: „Offenbarungseid der ÖVP-Regierung“

Die Klubobfrau der Liste Fritz Andrea Haselwanter-Schneider meinte in einer ersten Reaktion dazu, dass der Einkommensbericht „ein einziger Offenbarungseid für die seit mehr als 70 Jahren ununterbrochen regierende Tiroler Volkspartei“ sei: "Nirgends in Österreich verdienen die Leute so wenig wie in Tirol. Am meisten verdienen die Niederösterreicher und Burgenländer, aber auch unsere Nachbarn in Vorarlberg verdienen weit mehr als die Tiroler. Niedrige Einkommen bedeuten auch niedrige Pensionen, dazu die höchsten Lebens- und Wohnkosten. Vielen Tirolern drohen Not und Altersarmut“, so die Liste Fritz.

SPÖ-Chefin spricht von Skandal

Die wachsende Kluft zwischen Klein- und Großverdieneern lassen bei SPÖ-Chefin Elisabeth Blanik die Alarmglocken schrillen, wie sie in einer schriftlichen Stellungnahme betont. Eine Verteilung von oben nach unten sei notwendig, ansonsten drohe eine gesellschaftliche Spaltung. „Ich verstehe, dass Menschen zornig sind, wenn sie hart arbeiten und mit ihrem Einkommen trotzdem kaum oder nur mit Beihilfen die Miete bezahlen können. Die Situation spitzt sich zu, weil den Menschen immer weniger Geld bleibt“, so Blanik. Sie unterstützt die Forderung der Gewerkschaft nach einem kollektivvertraglichen Mindestlohn von 1700,- Euro brutto.

FPÖ spricht von Totalversagen der Bundesregierung

„Wenn der Lohnanstieg in den vergangenen 18 Jahren nur fünfmal knapp über der Inflation lag, dann beweist dies ein klares Versagen der SPÖ und der ÖVP“, so der Landesobmann der Freiheitlichen Arbeitnehmer in Tirol Heribert mariacher. Er fordert, dass die Belastung der Arbeitseinkommen, die in Österreich am höchsten sei, korrigiert werden. Zudem hinterfragt Mariacher die Zunahme von Subunternehmen sowie Leasingarbeitern.

ÖVP spricht von Fehlinterpretation

„Es ist jedes Jahr dasselbe Schauspiel. Anstatt die Zahlen des Einkommensberichts des Bundesrechnungshofes in die richtige Relation zu setzen und die Gründe dafür zu hinterfragen, wie diese Zahlen zustande kommen, missbraucht die Opposition die Daten als Munition für undifferenzierte Pauschalkritik", reagiert VP-Klubobmann Jakob Wolf auf die Aussagen der politischen Mitbewerber.

So würden in der vorgelegten Statistik strukturelle Unterschiede zwischen den Bundesländern völlig außer Acht gelassen. Wesentlich aussagekräftiger, seien laut Wolf die Haushaltseinkommen, da es auch soziale Unterstützungsleistungen mit einbeziehe: „Laut einer Auswertung der Statistikabteilung des Landes aus dem Jahr 2015 liegt Tirol mit einem Bruttohaushaltseinkommen von 43.755 Euro über dem Österreichschnitt mit 41.860 Euro. Auch der Grad der Armutsgefährdung ist in Tirol geringer als in Österreich“, erklärt der VP-Klubobmann.

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