Krankmachender Stress im Visier

Um den Zusammenhang zwischen Psyche und Immunsystem geht es ab Freitag bei einem mehrtägigen Kongress der Medizinischen Universität Innsbruck. Es ist mittlerweile allgemein akzeptierte Tatsache, dass Stress viele Krankheiten wie Krebs verursachen kann.

600 Teilnehmer haben sich zu der Tagung zum Thema Psycho-Neuro-Immunologie angemeldet. Diese Forschungsrichtung beleuchtet die Wechselwirkung zwischen Psyche, Nerven- und Immunsystem.

Gehirn und Immunsystem ständig in Verbindung

Die Psychoneuroimmunologie untersucht den genauen Zusammenhang zwischen Psyche und Körper.

Christian Schubert, Univ.-Klinik für Medizinische Psychologie
Medizinische Universität Innsbruck

ORF

Christian Schubert, Psychoneuroimmunologe

Gehirn und Immunsystem sind in ständigem Austausch, sagt Christian Schubert von der Abteilung für medizinische Psychologie der Klinik Innsbruck.

Vom Gehirn gehen Nervenfasern in die Körperperipherie und erreichen dort das Immunsystem, andererseits gebe es Hormone, so erreiche das Stresshormon Cortisol über das Blut die Immunzellen.

Konflikte können krank machen

Ist man starkem und lang andauerndem Stress ausgesetzt, wird das Immunsystem geschwächt, sagt der Psychologe. Stress am Arbeitsplatz spielt hier genauso eine Rolle wie Stress zu Hause. Zu Hause könne es in Bezug auf Gesundheit die besten Bedingungen geben, aber wenn es hier Schwierigkeiten gebe, wie etwa schwere Konflikte, dann ist das der Stress, der letzten Ende wirklich krank macht. Gefühle können vor allem krank machen, wenn man sie unterdrückt, sagt der Experte. Man rede hier von Autoimmunerkrankungen, von Herz- Kreislauferkrankungen und auch von Krebs.

Familie: Risikofaktor oder Lebenselixier

Nach Zusammenschau der einschlägigen Fachliteratur lasse sich sagen, dass vor allem der Beziehungsstress krank machen kann. Emotional sehr nahegehende Beziehungen zu Eltern, Geschwistern oder den eigenen Kindern könnten entweder krankmachenden Stress auslösen oder Lebenselixier sein, so Schubert. Der Leiter des Labors für Psychoneuroimmunologie (PNI) an der Univ.-Klinik für Medizinische Psychologie Innsbruck sieht dabei pflegende Personen besonders gefährdet: Es gebe Angehörigen-Studien mit Pflegenden von dementen Patienten und Alzheimerkranken, die belegten, dass diese Pflegenden einen enormen Anstieg von Entzündungsfaktoren durchlaufen. Das Leben dieser pflegenden Angehörigen könne dadurch bis zu 20 Jahre verkürzt werden, sagte der Experte.

Untersuchungen im Labor

In Innsbruck wird schon seit längerem mittels Einzelfallstudien im Bereich Psychoneuroimmunologie geforscht, erklärt Schubert. Man bitte Patienten oder gesunde Probanden im Abstand von zwölf Stunden den Harn zu sammeln. Jede Woche bitte man die Patienten ins Labor mit dem Harn und beantworteten Fragebögen. Dort gebe es Interviews und es werde herausgefunden, was eine Person wirklich gestresst hat.

Patienten sollen mündiger werden

Christian Schubert sagt, er wünsche sich, dass der Patient mündiger und verantwortungsbewusster werde in Bezug auf seine eigene Gesamtsituation und nicht nur im Hinblick auf Körperlichkeit, Ernährung und Bewegung, und auch dem Arzt seines Vertrauens darüber berichtet. Patienten sollten öfter ganzheitlich, also im Hinblick auf ihre körperliche und psychische Gesundheit untersucht und behandelt werden, fordert der Experte. Welche Möglichkeiten es dafür gibt wird unter anderem bei dem Kongress in Innsbruck diskutiert, der am Freitag eröffnet wird.