Direktwahl für Politologen Start ins „Chaos“

Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer hält nichts vom Vorstoß des Landeshauptmanns für die Direktwahl politischer Spitzenämter. Die Forderung von Günther Platter wäre ein „Startschuss für chaotische Situationen“, so Karlhofer.

Um dem Vertrauensverlust in der Politik entgegenzuwirken, sollten die wichtigsten politischen Ämter wie Bundeskanzler, Landeshauptleute oder Abgeordnete – wie in Tirol die Bürgermeister – von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählt werden – mehr dazu in Platter für Direktwahl von LHs und Kanzler. Im ORF-Interview analysiert ao.Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Karlhofer, Leiter des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck, warum dieser Vorstoß dem Populismus Tür und Tor öffnen würde.

ORF: Es ist nicht der erste Vorstoß für eine Direktwahl wichtiger politischer Ämter. Warum gibt es sie noch nicht?

Ferdinand Karlhofer: Es hat schon mehrfach Vorstöße – sogar für die Direktwahl des Bundeskanzlers - gegeben, die aber nicht immer ganz ernst zu nehmen waren. Aus gutem Grund sind diese Vorstöße wieder versandet. Die Hürden wären nämlich dermaßen groß und die Unwägbarkeiten, die damit verbunden sind, dass die Sache eigentlich sehr unausgegoren ist. Die Bürgermeister werden derzeit zwar direkt gewählt, ein Gemeinderat kann aber auch nur Verordnungen erlassen. Aber ein Landtag erlasst Gesetze, ebenso ein Nationalrat, d.h. hier steht eine ganz andere Ernsthaftigkeit dahinter. Nicht grundlos sagen viele Bürger, „Das ist mir dann doch zu hoch, ich kann komplexe Dinge ja nicht bestimmen“. Es sind schon die Parteien, die verantwortlich sind, Eliten zu rekrutieren.

Nehmen wir an, es gäbe die Direktwahl des Landeshauptmanns. Was würde das für die politische Auseinandersetzung und für mögliche Kandidaten bedeuten?

Würde tatsächlich die Direktwahl des Landeshauptmanns eingeführt, wäre das der Startschuss zum Chaos, eine regelrechte Ansage zu chaotischen Situationen. Denn was macht denn ein Landeshauptmann, der gewählt ist? Der, um gewählt zu werden, vielleicht das Blaue vom Himmel verspricht und sich dann erst Mehrheiten suchen muss, womöglich auch in der Bevölkerung? Parlamente und Regierungen, die Gesetze einbringen in Parlamente, Landtage und Nationalrat, sind nun einmal Arbeitsparlamente. Hier ist Professionalität das erste Kriterium, das notwendig ist und nicht, dass man den Bürgern irgendwas verspricht.

Was würde eine Direktwahl für einen Wahlkampf bedeuten?

Also wenn jemand gewählt werden will, kann er das Blaue vom Himmel versprechen. Mann könnte sagen, wer die einfachsten und größten Versprechen macht, der wird gewählt. Aber hinterher, wenn Parlament oder Nationalrat dann arbeiten müssen, dann braucht es Professionalität, und die ist bei so einer Direktwahl nicht von vornherein gegeben.

Hinter dem Vorstoß steckt das Argument von mehr direkter Demokratie. Wie weit ist Tirol in Sachen direkter Demokratie? Wie sieht es in anderen Bundesländern aus?

Ich glaube, man sollte, bevor man so groß angesetzte Ziele in den Raum stellt, bei der direkten Demokratie ansetzen, um nämlich wirklich mehr Vertrauen beim Bürger zu bekommen und ihn einzubinden. Wir haben in Tirol zwar die Volksbefragung, aber die ist völlig irrelevant. Da können 80 Prozent der Bürger für oder gegen ein Projekt stimmen, der Gemeinderat ist nicht daran gebunden. Andere Länder, z.B. Vorarlberg, haben eine sehr breit ausgebaute direkte Demokratie, die von der Bevölkerung sehr angenommen wird. Hier wäre ein Ansatzpunkt, tatsächlich Bürgernähe zu demonstrieren.