ORF Studio 3-Arena: Die Flüchtlingsfrage spaltet

Durchaus emotional ist am Donnerstagabend in der ORF Studio 3-Arena über das Thema Flüchtlinge diskutiert worden. Geladen waren Politiker, Polizei und Caritas. Dass in der Frage zwei Welten aufeinander prallen, war deutlich spürbar.

Die Studio 3-Arena war ausgebucht. Das Thema interessiert, beschäftigt und verunsichert, weil - wie alle Diskutanten zugeben mussten - niemand weiß, wie viele Flüchtlinge in den nächsten Monaten versuchen werden, Richtung Norden zu gelangen.

Arena

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Am Arena-Podium: (v.l.) Landespolizeidirektor Helmut Tomac, Rudi Federspiel, Klubobmann der FPÖ, Soziallandesrätin Christine Baur (Grüne), ORF Tirol Moderatorin Sybille Brunner, Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und der Bereichsleiter der Caritas Jürgen Gschnell.

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Viel hängt von Italien ab

Einig waren sich auch alle, dass man keine Grenzkontrollen am Brenner wolle, um diese aber nicht herumkomme. In Nordafrika würden zwischen 200.000 und einer Million Menschen auf eine Überfahrt Richtung Italien warten, sagte Platter. Die Europäische Union sei bis jetzt nicht in der Lage, ihre Außengrenzen zu sichern, eine Solidarität der EU-Länder gebe es ebenso wenig. Und es könne nicht sein, dass Menschen ohne Registrierung in Tirol einreisen, so Platter: „Bayern kontrolliert, Italien winkt die Leute weiter, und wir können nicht das gesamte Problem bewältigen. Wir werden zu den Kontrollen gezwungen, weil die Union nicht handelt.“ Und jetzt sei abzuwarten, wie Italien Flüchtlinge in Zukunft registrieren werde, es sei bereits die Rede von Registrierstellen auf Schiffen, so Platter.

FPÖ-Klubobmann Rudi Federspiel nutzte die Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass seine Partei schon vor Jahren vor einer Situation wie dieser gewarnt habe. Er begrüßte die Grenzkontrollen. Sein Vertrauen in die italienische Politik sei hingegen enden wollend.

Tomac: Steigende Flüchtlingszahlen

Der Zeitpunkt für den Beginn der Grenzkontrollen am Brenner sei immer noch unklar, sagte Polizeidirektor Helmut Tomac. Derzeit sei die Lage aber nicht besorgniserregend, wenngleich die Tendenz der Flüchtlingszahlen mit heuer 5.048 Aufgriffen steigend sei. Der Großteil der Flüchtlinge komme außerdem aus dem afrikanischen Raum, so Tomac, weniger aus Syrien. Letzteres veranlasste einen Zuhörer dazu, vehement darauf hinzuweisen, dass ein afrikanischer Flüchtling nicht weniger schutzbedürftig sei als ein syrischer.

Baur: „Platz für 10.000 Menschen“

Derzeit sind 6.300 Asylwerber in Tirol untergebracht. Bis Jahresende sollen es 10.000 sein, kündigte Soziallandesrätin Baur an. Diese Aussage kam bei Teilen des Publikums nicht gut an, befanden sich darunter auch Mitglieder der Bürgerinitiative „IG Arzl“, die Anfang April gegen die Errichtung einer Traglufthalle zur Unterbringung von Flüchtlingen demonstrierte - mehr dazu in Demo gegen Großquartiere für Asylwerber. Kurz vor der Studio 3-Diskussion protestierten sie vor dem ORF Tirol erneut gegen die Traglufthalle.

Kritik kam auch von einer Radio Tirol-Hörerin. Platter nehme die Gemeinden viel zu wenig in die Pflicht, bis jetzt hätten sich erst 40 Prozent der Tiroler Gemeinden bereit erklärt, Flüchtlinge aufzunehmen. In Vorarlberg seien es hingegen fast 100 Prozent. Dazu meinte Platter erneut, man wolle nicht über die Gemeinden „drüberfahren“ und Emotionen herausnehmen. Aber er habe beim Gemeindetag am Mittwoch sehr wohl kritische Worte gefunden. Platter erwartet sich mehr Solidarität, damit Asylwerber vermehrt in kleinen und nicht in großen Einheiten untergebracht werden können.

Frage der Sicherheit und Kriminalität

Großes Thema der Studio 3-Diskussion waren natürlich auch Sicherheit und Kriminalität. Es gab sowohl Wortmeldungen aus dem Publikum als auch von Internetnutzern, die via E-Mail an der Diskussion teilnahmen. Sie alle drückten ihre Besorgnis darüber aus, dass etwa vermehrt Frauen von Ausländern sexuell belästigt würden oder sich kleinere Diebstähle häuften. Das konnte Polizeidirektor Helmut Tomac anhand von Zahlen aber nicht bestätigen. Von 2014 auf 2015 wurde sogar ein leichter Rückgang verzeichnet. „Wir leben nach wie vor in einem der sichersten Länder der Welt, das ist Fakt“, meinte Tomac. Ein verändertes Straßenbild oder veränderte Verhaltensmuster eines Gegenübers würden aber verunsichern.

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FPÖ-Klubobmann Rudi Federspiel sorgte dazwischen kurz für Johlen im Publikum. Er sprach das Problem mit der sogenannten Marokkanerszene in Innsbruck an: „Sie kamen als Scheinasylanten und sind als Verbrecher geblieben.“ Auch handle es sich beim Großteil der Flüchtlinge um Wirtschaftsflüchtlinge, meinte Federspiel.

Neue Polizeiinspektion am Hauptbahnhof

LH Günther Platter meinte, man müsse die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen, auch wenn die Zahlen eine andere Sprache sprechen: „Wir werden heuer noch zusätzlich 200 Polizisten ausbilden. Das ist bereits genehmigt. So bekommen wir am Innsbrucker Hauptbahnhof eine neue Polizeiinspektion, das Gebäude wird heuer noch fertiggestellt. Dort werden 48 Exekutivbeamte arbeiten“, sagte Platter. Zudem forderte der Landeshauptmann härtere Strafen bei Sexualstrafdelikten.

Ängste und Vorurteile abbauen

Landesrätin Christine Baur versuchte in der Diskussion immer wieder Ängste abzubauen: „Ich erlebe es oft, dass sich die Situation entspannt, sobald die Menschen da sind. Zuerst höre ich von einer Frau, ich kann nicht mehr alleine joggen gehen wegen der Asylwerber und dann, wenige Zeit später, geht die Frau mit dem Asylwerber joggen. Auch gibt es sehr viele Ehrenamtliche, die anpacken. Ich kann für Tirol nicht sagen, dass die Stimmung gekippt ist.“

Gegen einen Generalverdacht sprach sich auch Jürgen Gschnell, Bereichsleiter der Caritas aus. Gschnell hat selbst ein Flüchtlingsheim geleitet: „Diese Menschen wollen ein ganz normales Leben führen", sagte er. Sie wollen Deutsch lernen, sind fleißig und es gibt auch unter ihnen schwarze Schafe. Aber sie kommen nicht freiwillig. Wir von der Caritas versuchen mit der Auslandshilfe in den großen Flüchtlingslagern im Libanon oder in Jordanien die Leute zu versorgen, damit sie diese gefährliche Reise gar nicht antreten müssen. Wenn sie trotzdem zu uns kommen, müssen wir uns so gut es geht um sie kümmern.“

Brita Bauer, tirol.ORF.at

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