Brenner: Italiens Hilferuf an die EU

Italien hat sich über die geplanten Grenzkontrollen am Brenner besorgt gezeigt. Man befürchtet das Ende des freien Warenverkehrs und fordert von der Europäischen Kommission ein „sofortiges Eingreifen“. Die Kommission gab sich am Mittwoch vorerst abwartend.

Die EU-Kommission wartet auf mehr Informationen aus Österreich über die beabsichtigten Bauarbeiten für mögliche Grenzkontrollen am Brenner. Erst dann könnten die in Aussicht gestellten Maßnahmen „aus der Sicht der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit beurteilt werden“. Eine Kommissionssprecherin bestätigte auf Anfrage der APA, dass ein Protestschreiben Italiens in Brüssel eingegangen sei - mehr dazu in Sofortiges Eingreifen gefordert.

Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit

„Die Kommission hat gestern einen Brief des italienischen Innenminister Angelino Alfano und des italienischen Außenminister Paolo Gentiloni erhalten und wird zu gegebener Zeit antworten“, so die Sprecherin am Mittwoch. Die italienische Regierung habe die Kommission ersucht, die von Österreich am Brenner angekündigten Maßnahmen zu beurteilen, und zwar vom Gesichtspunkt der Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und Zusammenarbeit.

Bereits am Dienstag hatte die Brüsseler Behörde ihre tiefe Besorgnis über die Pläne Österreichs ausgedrückt. Es wurden im Fall der Umsetzung auch ernsthafte Reaktionen erwogen, ohne diese näher anzuführen. Vorher bedürfe es weiterer Informationen aus Österreich.

Obwexer: Größerer Zustrom bedeute Notstand

Der Innsbrucker Professor für Europarecht an der Universität Innsbruck Walter Obwexer, der auch als Gutachter für die österreichische Regierung tätig ist, räumte am Dienstag in der ZIB 2, dass die Kontrollen nicht ohne Grund eingeführt werden können: „Bevor der Zustrom nicht einsetzt, beabsichtigt Österreich nicht, die Kontrollen aufzunehmen. Aber es bedarf nicht tausender Schutzsuchender am Tag, es reichen hunderte, da Österreich derzeit bereits in vielen Bereichen an der Kapazitätsgrenze angelangt ist.“ Deshalb geht der Europarechtler davon aus, dass Österreich bei einem weiteren Zustrom gegenüber der EU-Kommission bzw. dem EuGH das Vorliegen eines Notstands nachweisen könnte.

Menschenrechtler bezweifelt Notstand

Der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak kritisierte hingegen die geplante Verschärfung des Asylrechts als „Panikmache“. Die Möglichkeit einer „Notverordnung“ zur Aussetzung des Asylrechts zu schaffen, wäre erlaubt, „wenn es einen wirklichen Notstand gäbe“. Das bezweifle er allerdings, so Nowak.

Felipe: Regierung begreift nicht

Tirols Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) übt Kritik an den Bauarbeiten für mögliche Grenzkontrollen am Brenner. „Die österreichische Regierung begreift nicht den historischen Wert des Brenners. Sie hätte mit Italien zusammen eine Lösung finden sollen“, sagte die Politikerin im Interview mit der italienischen Tageszeitung „La Stampa“ (Mittwoch-Ausgabe). „Das sage ich nicht nur aus der humanitären Perspektive, sondern auch als Verantwortliche im Tiroler Landtag für Fragen in Sachen Mobilität und Verkehr“, sagte Felipe. Die Entwicklungen am Brenner würden ihre Bemühungen in den letzten drei Jahren für eine stärkere Integration der Länder Tirol, Südtirol und Trentino zunichtemachen.

Wann die Kontrollen starten, ist nach wie vor nicht bekannt. Ende Mai wurde zuletzt als mögliches Datum genannt.

Links: