Untersuchungen am Lawinenkegel abgeschlossen

Die Ermittlungen der Polizei am Lawinenkegel in der Wattentaler Lizum nach dem Unglück mit fünf Toten wurden am Montag abgeschlossen. Insgesamt sind demnach vier Lawinen in dem Bereich abgegangen.

Am Montag flog die Polizei mit einem Hubschrauber zum Lawinenkegel hinauf. Dabei wurde vor allem die „primäre Lawine“ ausgemessen und mittels GPS aufgezeichnet, berichtete Alpinpolizist Jörg Randl. Man habe im Anrissbereich des Schneebrettes, der 230 Meter über der Freerider-Gruppe am Kamm des Hohen Geier auf über 2.800 Metern lag, Fotos gemacht, so der Polizist.

Die primäre Lawine habe nach bisherigem Ermittlungsstand die Wintersportler großteils mitgerissen und begonnen zu verschütten. In Folge habe ein weiteres Schneebrett die Alpinisten unter sich begraben. Die drei weiteren Lawinen seien zwar teilweise in den Lawinenkegel „hineingeflossen“, hätten aber von der Intensität her zum Großteil keinen solch unmittelbaren Einfluss gehabt.

Polizei geht weiter von Fremdauslösung aus

Eine Gruppe von sieben Freeridern hatte angegeben, Setzungsgeräusche gehört und auch die Auslösung der Lawinen beobachtet zu haben. Nicht zuletzt deshalb gehe die Polizei weiter von einer Fernauslösung aus. Es sei in der Schneedecke wohl ein sogenannter „Spannungsriss“ entstanden, der sich dann „fortgepflanzt“ habe, so Randl. Dieser Riss habe sich vermutlich aufgrund der vielen Personen gebildet, die zu der Zeit „zonal“ in diesem Bereich unterwegs waren.

Eine restlose Klärung der unmittelbaren Ursache für die Fernauslösung werde es aber nicht geben, betonte der Alpinpolizist. Randl berichtete weiters, dass die Wintersportler zum Zeitpunkt des Lawinenabgangs in „Entlastungsabständen“ von 15 Metern unterwegs waren - mehr dazu in Polizei glaubt an Fernauslösung der Lawine.

Ermittlungen laufen weiter

Die polizeilichen Untersuchungen am Lawinenkegel selbst seien nun abgeschlossen, erklärte Randl. Nun gelte es unter anderem, die Lichtbilder auszuwerten. Das Landeskriminalamt führe zudem noch die genaue Identitätsabklärung der Toten durch. Dann ergehe - wie immer in solchen Fällen - ein Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft. Einen genauen Zeithorizont wollte Randl nicht nennen. Der Bericht werde „im Laufe der nächsten Zeit“ der Behörde übergeben.

Zwei Guides unter den Toten

Vonseiten der Organisatoren des „Freeride-Camps“ sei jedenfalls kein Druck auf die Teilnehmer ausgeübt worden. Es seien keine Vorgaben gemacht worden, welche Touren zu bewältigen seien. Die Guides hätten die Touren vorgeschlagen und dies sei dann mit den Gruppen besprochen worden, sagte der Polizist. Die beiden erfahrenen Bergführer befanden sich unter den fünf toten Wintersportlern im Alter von 33 bis 37 Jahren, die am Samstag am Weg von der Lizumer Hütte auf den Hohen Geier ihr Leben verloren.

Lawinenexperte: Gruppe ging hohes Risiko ein

Für den Leiter des Tiroler Lawinenwarndienstes, Rudi Mair, sind die tschechischen Wintersportler bei der Tour in der Wattentaler Lizum am Samstag ein „hohes Risiko“ eingegangen. In einem „hundsgemeinen Winter“ wie diesem mit einem „massiven Altschneeproblem“ sei die Gefahr ungleich größer, sagte Mair am Montag im APA-Gespräch.

Ungefährlichere Touren wären möglich gewesen

Die Tour der Freerider-Gruppen von der Lizumer Hütte auf den Hohen Geier sei „für die Lawinensituation nicht die erste Wahl“ gewesen, meinte Mair. Es hätte in diesem Gebiet durchaus andere Touren gegeben, die „weniger steil und exponiert“ ausgefallen wären. „Die Wahl war nicht am günstigsten“, fasste der Experte zusammen. Das Risiko bei der Tour, vor allem angesichts eines solchen Winters, sei bekannt gewesen.

Lawine in der Wattentaler Lizum

ZOOM.Tirol

Suche nach den Verschütteten am Lawinenkegel

Es komme schließlich nicht von ungefähr, dass diese Route außer den 20 Wintersportlern aus Tschechien sonst niemand gegangen sei, obwohl sich an dem Tag auch einige andere Gruppen in der Wattentaler Lizum befunden hätten, darunter auch ein Team des Lawinenwarndienstes. Dieses hatte eine der beiden Gruppen auch zufällig fotografiert.

Anrissgebiet auf fast 2.700 Metern Höhe

In einer auf dem Blog des Tiroler Lawinenwarndienstes veröffentlichten Detailanalyse kamen die Experten des Lawinenwarndienstes unter anderem zu dem Schluss, dass sich das Anrissgebiet des Schneebretts zwischen 2.600 und 2.700 Metern befand und „sehr steil bis extrem steil“ war. Die laut Mair vier Lawinen kamen auf einer Höhe von rund 2.300 Metern zum Stillstand. Die Lawinenablagerung betrug dabei bis zu fünf Meter - mehr dazu in Ermittlungen nach tödlicher Lawine.

Rudi Mair

ORF

Rudi Mair

Schlechter Schneedeckenaufbau

„In einem normalen Winter wäre eine Lawine abgegangen“, erklärte Mair. Der heurige Schneedeckenaufbau mit einem „extrem schlechten, schwachen Fundament“, bei dem „massiv was faul“ sei, habe hingegen dazu geführt, dass bei dem Lawinenunglück gleich mehrere Schneebretter abgingen. Bei einer Lawine wären die Überlebenschancen höher gewesen - nicht zuletzt aufgrund der Lawinenairbags, die die Wintersportler bei sich hatten. Da aber am Samstag mehrere Schneebretter losgingen und sich diese noch dazu überlagerten, seien die Wintersportler auch tiefer verschüttet worden.

Starker Schneefall könnte Situation entspannen

Zur Entspannung der prekären Lawinensituation würden vor allem starke Schneefälle beitragen, erläuterte der Leiter des Lawinenwarndienstes. Diese würden für eine kompakte, dringend notwendige Schneeschutzschicht sorgen, die derzeit aufgrund des schneearmen Winters nicht gegeben sei. Rund ein Meter Neuschnee sei dafür erforderlich.

Einmal mehr erneuerte Mair auch seine Forderung nach einer Umbenennung der Warnstufen der fünfteiligen Gefahrenskala. Die Bezeichnung „erheblich“ für die Warnstufe drei sei „Wischiwaschi“. Der Experte hatte bereits im vergangenen Jahr vorgeschlagen, dass die Stufe drei, bei der tendenziell die meisten Unglücke passieren, die Bezeichnung „groß“ tragen solle.

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