Von lästigen Neujahrswünschen freikaufen

Mit einer Neujahrskarte haben sich reiche Innsbrucker einst von „lästigen“ Neujahrswünschen ihrer Nachbarn freikaufen können. Nun gibt es erstmals seit fast 80 Jahren wieder eine Entschuldigungskarte – diesmal für den guten Zweck.

Im Jahr 1820 wurde in Innsbruck die erste Tiroler Neujahrs-Entschuldigungskarte aufgelegt. Damals reagierte die Bevölkerung begeistert. Denn der Kauf einer Karte ersetzte den von vielen als unangenehm empfundenen Neujahrsbesuch ärmerer Bevölkerungsschichten, der die vermögenden Innsbrucker verpflichtete, ein Almosen zu geben, erklärte Roland Sila, Kustos in der Bibliothek des Landesmuseums, den Zweck.

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Freikauf von Bettelei

Die Entschuldigungskarte wurde ins Fenster gestellt. So konnte jeder sehen, dass der Hausbesitzer schon gespendet hatte.

Verkaufserlös für soziale Projekte in Innsbruck

Der Erlös aus dem Verkauf der Karten wiederum floss in soziale Projekte der Stadt – und so konnten bereits im ersten Jahr über 600 Karten verkauft werden. In den folgenden Jahren waren es dann jährlich über 2.000 Karten, die einen Abnehmer fanden. Die Käufer wiederum wurden in der Zeitung publiziert.

Erst kleinformatig, dann größer

Anfangs schmückten meist religiöse Motive die relativ kleinformatigen Karten, gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden aus den Neujahrs-Entschuldigungskarten großformatige, dekorative und repräsentative Blätter. Abgebildet wurden beispielsweise Stadtpläne, historische Gebäude oder Herrscherporträts.

Sendungshinweis:
„Tirol heute“, 24. 11. 2015

Der Brauch setzte sich bald in ganz Tirol durch. Sehr rasch folgten andere Städte Tirols. Es sind über 60 Orte bekannt, die eigene Karten zum Verkauf anboten. In Innsbruck legten vor der Eingemeindung in die Stadt Wilten, Amras, Pradl, Mariahilf, Mühlau und Hötting eigene Karten auf. Die Neujahrs-Entschuldigungskarte wurde früher auch Neujahrs-Gratulationsbefreiungskarte, Neujahrs-Gratulationsenthebungskarte oder Neujahrs-Glückwunschenthebungskarte genannt.

Neujahrs-Entschuldigungskarte 2015

ORF

Entschuldigungskarte aus dem Jahr 2016

Bislang letzte Karte aus dem Jahr 1936

Ab dem späten 19. Jahrhundert diente der Erlös aus dem Verkauf der Karten auch anderen Zwecken - in Pradl etwa ging der Ertrag an den Kirchenbauverein. Im Jahr 1936 wurde durch den Kirchenbau-Verein Hötting die bislang letzte bekannte Neujahrsentschuldigungskarte in Innsbruck aufgelegt.

Für wohltätige Zwecke

Der Innsbrucker Innenstadtverein belebt den Brauch mit einer Entschuldigungskarte des Künstlers Franz Mölk wieder. Diesmal fließt der Erlös wohltätigen Zwecken zu. Die auf 300 Exemplare limitierte, nummerierte und vom Künstler signierte Auflage macht die Karte zum Sammlerstück – gleichzeitig dient der Ertrag aber wieder einem klaren Zweck. Er wird zur Hälfte der Aktion „Licht ins Dunkel“ und zu je einem Viertel dem „Netzwerk Tirol hilft“ und dem „Blinden- und Sehbehindertenverband Tirol“ gewidmet. Jede Karte kostet 120 Euro.

Zu beziehen ist die Entschuldigungskarte im Büro des Innenstadtvereins in der Erlerstraße 4, Tel.: 0512/890 164 11. Das Original von Franz Mölk ist im Foyer des ORF in Innsbruck zu sehen und wird im Rahmen der Aktion Licht ins Dunkel versteigert.