Kalte Progression frisst Steuerreform

Die entlastenden Effekte der Steuerreform werden durch die kalte Progression innerhalb weniger Jahre wieder aufgehoben. Laut Berechnungen der Innsbrucker Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung wird dadurch die Belastung 2019 wieder das Niveau von 2009 erreichen.

Über zehn Jahre beträgt die Belastung durch die kalte Progression 950 Mio. pro Jahr. Die von der Regierung geplante Steuerreform wird im Jahr 2016 die Lohn- und Einkommenssteuer um 4,9 Mrd. Euro entlasten.

Einkommensgrenzen bleiben gleich

Laut den der APA vorliegenden Berechnungen der Innsbrucker Wirtschaftsforscher wird aber durch die schleichende jährliche Steuererhöhung im Rahmen der kalten Progression schon im Jahr 2017 ein Teil der Entlastung verschwunden sein. Der Grund für diesen Effekt: Die Löhne steigen jedes Jahr, die für die Lohnsteuer maßgeblichen Einkommensgrenzen aber bleiben gleich. Damit rücken von Jahr zu Jahr immer mehr Arbeitnehmer in höhere Steuerklassen vor - ein Teil ihrer Lohnsteigerungen wird somit vom Finanzamt abgeschöpft.

Grafik zur Steuerreform

APA/ORF.at

Auswirkung von kalter Progression und Steuerreform auf Lohnsteuer in Mio. Euro bezogen auf die Steuerbelastung 2009

Auch über einen längeren Zeitraum gesehen zeigt sich, dass die Reform der kalten Progression nicht entgegenwirken kann. Geht man vom Zeitpunkt der letzten Steuerreform (2009) aus und betrachtet die Jahre 2010 bis 2019, so lassen die Berechnungen von Florian Wakolbinger und Viktor Steiner erwarten, dass im Jahr 2019 wieder dasselbe Belastungsniveau wie im Jahr 2009 erreicht werden würde.

2019 ist Reformeffekt verpufft

Heuer liegt die steuerliche Mehrbelastung durch diesen Effekt etwa drei Mrd. Euro über jener von 2009. Durch die Steuerreform wird diese Steuerlast im Jahr 2016 das Niveau von 2009 um etwa eine Mrd. Euro unterschreiten. Danach tritt allerdings gleich eine Schrumpfung der Entlastungswirkung ein, im Jahr 2019 ist der Reformeffekt wieder verpufft.

Über den gesamten Zeitraum von 2010 bis 2019 beträgt die Belastung durch die kalte Progression insgesamt 9,5 Mrd. Euro - trotz der 2016 startenden Entlastung. Im Schnitt sind dies 950 Mio. Euro pro Jahr an Mehrbelastung, so die Berechnungen.

Hohe Einkommen kaum betroffen

Besonders betroffen von der kalten Progression sind untere und mittlere Einkommen. Lediglich die niedrigsten Einkommen (erstes Dezil) profitieren auch über den Zehnjahreszeitraum hinaus. Grund dafür ist die Ausweitung der Negativsteuer durch die kommende Reform, die den kleinen Einkommen zugute kommt. Außerdem wirkt die kalte Progression in diesen Einkommensbereichen nicht bzw. kaum, denn die überwiegende Mehrheit zahlt aufgrund des Freibetrags von 11.000 Euro Bemessungsgrundlage (im Jahr) gar keine Lohn- bzw. Einkommensteuer.

Die Einkommensdezile darüber sind hingegen deutlich betroffen: Das fünfte Dezil trägt beispielsweise 5,4 Prozent des Steueraufkommens, jedoch fallen knapp zehn Prozent der Zusatzbelastung durch die kalte Progression auf diesen Bereich. Die oberen drei Dezile werden durch die kalte Progression hingegen unterproportional belastet.

Forderung nach Anpassung an Inflation

Um die Effekte der kalten Progression nachhaltig zu bekämpfen, schlagen Wakolbinger und Steiner vor, die Tarifstufen ähnlich wie andere Abgaben und Transfers (z. B. SV-Höchstbeitragsgrundlage und Geringfügigkeitsgrenze, Mindestsicherung, Ausgleichszulage) jährlich an die Inflation anzupassen.

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