Schule bevormundet sozial schwache Eltern

Sozial benachteiligte Eltern fühlen sich von der Schule übergangen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Erziehungswissenschafterin Maria Wolf von der Uni Innsbruck. Das Gefühl der Eltern, sie hätten in der Schule nichts zu sagen, sei in vielen Befragungen präsent.

Wolf hat für die Studie Einzel- und Gruppeninterviews mit Eltern, die finanziell, gesellschaftlich oder von ihrem Bildungsverlauf her benachteiligt sind, geführt. Innerhalb der interviewten Gruppe habe man auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Lebensläufen geachtet, so die Wissenschafterin gegenüber der APA. So habe man mit Alleinerziehern, Patchwork- sowie klassischen Familien, Migranten wie „Einheimischen“ sowie Land- und Stadtbewohnern gesprochen. Auch arbeitslose Akademiker seien darunter gewesen.

Ein roter Faden durchziehe dabei die Berichte, schreibt Wolf in einer Broschüre zum Thema: „Eltern haben in der Schule ‚nichts zu sagen‘, obwohl sie von der Schule ständig eingeladen werden ‚zu sprechen‘ und die Schule täglich Gesprächsthema zwischen Eltern und Kindern ist.“

Machtgefälle zwischen Elternhaus und Schule

„Diese Eltern machen immer wieder die Erfahrung, dass sie vortragen können, was sie wollen - sie merken aber, dass sie damit keinen Erfolg haben“, so Wolf zur APA. „Sie erfahren ein Machtgefälle zwischen Elternhaus und Schule.“ Dabei seien sie oft in der Zwickmühle, durchaus konstruktive Kritik vortragen zu wollen, gleichzeitig aber diese so formulieren zu müssen, „damit die Lehrerin nicht verärgert ist“. In einem Interview habe eine Frau etwa gemeint: „Aber auf jeden Fall muss ich beim Sprechen mit der Lehrerin immer ‚Ok, Frau Lehrerin, du hast Recht‘ sagen“, bevor sie auch ihre Kritik äußere.

Kontakt meiden als Konsequenz

Trotzdem würden sie regelmäßig abgekanzelt bzw. ignoriert, so Wolf. Sie erführen dabei regelmäßig - und das sei der zweite rote Faden in der Studie - , dass „in der Schule eine ‚Kultur der Unfehlbarkeit‘ vorherrscht: Die Schule macht alles richtig“. Die Konsequenz sei, dass viele Eltern nach einmal fruchtlos geäußerter Kritik den Kontakt vermeiden würden.

Einfluss der Elternvertretung in Schulen gering

Mit der Forschungsarbeit will Wolf auch das unterbelichtete Feld der Elternforschung in den Fokus rücken: „Die Schulpädagogik untersucht seit Jahrzehnten unterschiedliche Aspekte des Schulalltags - Didaktik, Schüler-Lehrer-Beziehung etc. Das ist auch gut. Lehrer können daher immer wieder auf Studien oder ihre gewerkschaftliche Vertretung zurückgreifen. Bei Eltern ist das anders: Es gibt kaum Studien, und die Elternvertretung wird nicht wirklich als solche wahrgenommen. Deren Aufgabe wird darin gesehen, das Buffet bei Schulveranstaltungen zu organisieren - einen Machtfaktor stellt sie nach Ansicht der Eltern nicht dar. Der Einfluss der Elternvertretung an den Schulen geht gegen null.“

Mehr Unterstützung in der Stadt

Überrascht war Wolf über die unterschiedlichen Fördermöglichkeiten in der Stadt und auf dem Land: „In der Stadt wird eine Infrastruktur angeboten mit Hortbetreuung, Schulen mit Nachmittagsbetreuung oder Lernhilfe. Wenn man am Land benachteiligt ist, kommt man da nicht raus.“ Eltern würden ihre Kinder zwar jährlich zur Lernhilfe am Nachmittag anmelden. Diese komme aber nie zustande, da sich aufgrund der niedrigen Bevölkerungszahl zu wenige Kinder angemeldet hätten, heißt es in einem Interview. Und, so eine Mutter: „Weil, ein Lehrer will ja auch am Nachmittag seine Freiheiten oder seine Freizeit haben. Und wenn da jetzt zehn Manderln sind von Kindern, wird sich der da nicht hinsetzen und mit den Kindern lernen.“

Zu wenig Unterstützung bei Wahl Gym oder NMS

Übergangen fühlen sich viele Eltern am Land auch beim Übertritt nach der Volksschule. Die Entscheidung für die Hauptschule bzw. Neue Mittelschule werde dabei oft von der Volksschule als gegeben angesehen, zeigen manche Interviews. Besonders betroffen davon sind Kinder von Eltern mit Migrationsgeschichte. Einer Schülerin mit Migrationshintergrund sei etwa geraten worden, die Hauptschule zu besuchen, obwohl sie ein Zeugnis mit lauter „sehr gut“ gehabt habe.