Politologe: „Was heißt schon koalitionsfrei?“

Beim Thema Kalkkögel sind die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne nicht mehr die einzigen Akteure im Ring. Die Ruhegebietsaufhebung lasse sich politisch nicht so leicht an den Landtag abgeben, analysiert der Politologe Ferdinand Karlhofer.

Im ORF-Sommergespräch betonte Landeshauptmann Günther Platter, dass die Zukunft der Kalkkögel im „koalitionsfreien Raum“ liege und im Landtag entschieden werden soll - mehr dazu in Platter: Kalkkögel spalten Regierung nicht. Die zuständige Naturschutzlandesrätin, Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe, hatte demgegenüber betont, dass das Ruhegebiet Kalkkögel von ihr als Regierungsmitglied sicher nicht aufgehoben werde - mehr dazu in Kalkkögel bleiben für Felipe ein „No-Go“.

„Koalitionsfrei“ ist Verhandlungssache

Professor Ferdinand Karlhofer, Leiter des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck, definiert den „koalitionsfreien Raum“ im ORF-Gespräch als vertragliche Vereinbarung, die auch zurückgenommen werden könne. „Koalitionsfreier Raum“ sei kein juristischer, verbindlicher Begriff. Wesentlich sei aber die Frage, wo es auf beiden Seiten Spielräume gebe, die man dem Partner zumuten könne. Bei den Kalkkögeln würden sich schon Kräfte außerhalb der Regierung formieren, die Sache habe eine Eigendynamik.

Entscheidend: Beide Parteien ohne Gesichtsverlust

Auf die Frage, was das für die Koalition bedeute, sagte Karlhofer, diese könne Bestand haben, wenn beide Seiten ohne Imageverlust aus dem Konflikt heraus kämen. „Wenn man sich diese einjährige Koalitionserfahrung zwischen ÖVP und Grünen ansieht, dann ist es ihnen sehr gut gelungen, auf Augenhöhe miteinander umzugehen. Es ist nicht ‚der Große und der Kleine‘. Beide können hier eine gute Bilanz vorweisen. ÖVP und Grüne sind nicht schlecht im Abtasten von schwierigen Situationen, von Fallstricken“, so Karlhofer. Wenn es gelingt, aus dem Konflikt so herauszukommen, dass keine der Seiten das Gesicht verliert, dann könnte die Koalition weiter funktionieren.

Konflikt schwappte auf Gesellschaft über

Die Frage der Skigebietszusammenlegung sei mittlerweile nicht mehr ausschließlich eine Sache von ÖVP und Grünen, sondern von äußeren Kräften wie Naturschützern und Alpenvereinen auf der einen, dem Tourismus, dem Stubai und der Lizum auf der anderen Seite. Beide Gruppen seien stark und nicht ohne Einfluss. „Hier liegt es zum Teil nicht mehr in der Autonomie der beiden Regierungsparteien, hier kann man nicht genau vorhersagen, in welche Richtung sich die Dynamik entwickelt“, so der Politologe.

Suche nach Mehrheit im Landtag war „naiv“

Die Angelegenheit in den „koalitionsfreien Raum“ zu verweisen, sei problematisch, führte Karlhofer aus. „Es war sicher eine naive Annahme zu sagen, gut, da ist die eine oder andere Partei bereit, der ÖVP die nötige Mehrheit zu liefern.“ Ob es sich derzeit um eine Pattsituation handelt, die in eine Krise mündet, hänge stark davon ab, wie man aus der kurz aufgehobenen Balance rausfindet. Es werde nicht gehen, den Grünen so etwas wie „Wir haben euch niedergestimmt und jetzt weiter ‚business al usual‘“ zu vermitteln.

Außerdem müsse man es auch von der Seite sehen, dass oppositionelle Kräfte im Landtag nur darauf warten, einen Keil zwischen die Koalitionsparteien zu treiben.

Landtag kann Ruhegebiet nicht aufheben

Rein formal genügt für eine Gesetzesänderung ein Antrag von vier Abgeordneten, über den dann im Landtag abgestimmt wird. Im Falle einer Verordnung ist dem nicht so. Aus dem Landhaus heißt es dazu auf ORF-Anfrage, dass ein Ruhegebiet nicht aufgehoben werden könne.