So viele waren noch nie auf der Flucht

Tirol ist das Haupttransitland für Flüchtlinge. Die Fremdenpolizei griff im ersten Halbjahr so viele Flüchtlinge wie noch nie auf und schob sie nach Italien zurück. In Tirol bleiben wollen die wenigsten. Entspannung ist nicht in Sicht.

1.584 Menschen auf der Flucht hat die Fremdenpolizei in Tirol in diesem Jahr bereits aufgegriffen. Das sind fast doppelt so viele wie im Vorjahr, weiß der Leiter der Fremdenpolizei, Harald Baumgartner. Der Löwenanteil der Flüchtlinge kommt aus Syrien und sie wollen alle in den Norden, zu Bekannten oder Verwandten, denen bereits die Flucht gelungen ist. Das war auch das Ziel jener 93 Flüchtlinge, die am Montag wieder nach Italien zurückgeschoben werden mussten - mehr dazu in Flüchtlinge wurden nach Italien abgeschoben.

Rot-Kreuz-Helfer zeigen große Betroffenheit

Wenn die Flüchtlinge in Tirol aufgegriffen werden, haben sie bereits eine lange, oft traumatisierende Odyssee hinter sich. Wolfgang Egger, Florian Huber und Annelies Lagger haben die vor kurzem aufgegriffenen Flüchtlinge betreut und belastende Eindrücke erlebt. Diese Eindrücke würden zu einer Art Ohnmacht führen, wenn man in verzweifelte Kinderaugen schaut, und die Fragen deren Eltern nicht beantworten kann. „Wie geht es weiter?! Was passiert jetzt mit uns? Bitte nicht wieder zurück!“

Wenn man nach so einem Einsatz zu den eigenen Kindern nach Hause komme, wird einem bewusst, wie gut es uns hierzulande gehe, berichten die Helfer. Gleichzeitig schwinge bei diesen Gedanken das Schicksal der betreuten Flüchtlinge mit. Menschen die, so die Helfer, dankbar für jede Kleinigkeit waren - für das Essen, die Ansprache, das Notbett im Turnsaal der Polizeidirektion und die vermutlich erste halbwegs ruhige Nacht seit langem.

Auch für Beamte Belastung

Das Schicksal der Flüchtlinge lässt auch seine Mitarbeiter bei der Fremdenpolizei nicht kalt, berichtet Harald Baumgartner. Per Gesetz sind sie verpflichtet, aufgegriffene Flüchtlinge wieder nach Italien zurück zu schieben. Durch die enorme Zunahme von Flüchtlingen steigt auch die Belastung der Beamten: „Dass da immer wieder der Gedanke kommt, einfach wegzuschauen, kann ich keinem verübeln.“

Jene 93 syrischen Flüchtlinge werden in wenigen Tagen - das wissen die Beamten aus Erfahrung - wieder versuchen über Tirol in den Norden zu gelangen - solange bis sie es geschafft haben. Wie vielen heuer schon die Flucht über Tirol gelungen ist, lässt sich laut Polizei nur schwer sagen. Sicher sagen kann man aber, dass die Flüchtlingsfrage eine völlig ungelöste ist - nicht nur in Europa, sondern weltweit.