33 Jahre Tyrannei an Kindern in Tirol

Die einstige Kinderbeobachtungstation in Innsbruck ist über Jahrzehnte ein Ort des Schreckens gewesen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Expertenkommission, die die Machenschaften der damaligen und bereits verstorbenen Leiterin Maria Nowak-Vogl untersuchte.

Maria Nowak-Vogel

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Maria Nowak-Vogl

Nicht ganz zwei Jahre lang beschäftigte sich die Expertenkommission mit den Vorgängen an der einstigen Kinderbeobachtungsstation in Innsbruck und deren bereits verstorbener Leiterin Nowak-Vogl. Das am Montag präsentierte Ergebnis zeichnet ein düsteres Bild vom Umgang mit angeblich schwer erziehbaren Kindern und reicht weit über diese Beobachtungsstation hinaus.

Nowak-Vogl war Kopf eines landesweiten Systems

Über dreißig Jahre lang waren in Tirol - geduldet und gedeckt vom Land Tirol, der Kirche, den Medien und der Öffentlichkeit - schutzlose und hilfsbedürftige Kinder der Gewalt von Ärzten, Erziehern und Ordensfrauen ausgesetzt. Was ein ORF-Bericht 1980 erstmals an die Öffentlichkeit brachte, hat die Expertenkommission jetzt mehr als nur bestätigt.

Ausschnitt aus dem ORF-Bericht von Kurt Langbein:

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Die zentrale Rolle in Tirol spielte mit Nowak-Vogl eine Psychiaterin mit einer Weltanschauung, die laut Kommissionsmitglied Horst Schreiber geprägt war vom Nationalsozialismus und konservativ katholischem Denken. Sie war in Westösterreich die einzige Person, die Kinder und Jugendliche begutachtete und behandelte. Sie allein entschied, ob Kinder in ein Heim mussten, in welches und wie lange. 3.650 Kinder aus ganz Westösterreich, Bayern und Südtirol waren ihr von 1954 bis 1987 ausgeliefert. Vielen davon habe sie direkt oder indirekt großes Leid angetan, zu diesem Schluss kam die Kommission.

Verwerfliche Methoden und Therapien

Die Kinderbeobachtungsstation in Innsbruck war alles andere als ein Ort der Hilfe. Es war ein Ort der Traumatisierung, Kinder wurden zum Objekt degradiert, mit Injektionen und Tabletten ruhiggestellt oder mit psychischer und struktureller Gewalt bestraft. Die Kinder hatten gar nie die Chance, etwas richtig zu machen, so Schreiber.

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Es gibt Berichte, wonach besonders jähzornige Kinder von Nowak-Vogl mit Röntgenstrahlung behandelt und Bettnässer auf übelste Art und Weise bloßgestellt wurden. Waren junge Mädchen früh sexuell aktiv, verabreichte sie ihnen das Hormon Epiphysan. Auch wenn dieses Hormon - wie man mittlerweile weiß - keine gesundheitsschädlichen Folgen verursachte, war die Vorgangsweise Nowak-Vogls mehr als verwerflich.

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ORF-Bericht hatte Folgen

Infolge des ORF-Berichts von Kurt Langbein verbot der damalige Direktor der Univ.-Klinik für Psychiatrie, Kornelius Kryspin-Exner, das Verabreichen von Epiphysan und setzte die repressive Hausordnung außer Kraft. Dennoch gelang es bis zur Pensionierung Nowak-Vogls 1987 nicht, deren „Fürsorgeregime“ zu beenden.

Weitere Forschung, Entschädigung offen

Die Expertenkommission, die von einem dunklen Kapitel in der Tiroler Geschichte spricht, brachte am Montag ihre Betroffenheit und ihr Bedauern zum Ausdruck. Dass dieses Kapitel nun öffentlich gemacht werde, sei in erster Linie im Sinne der Geschädigten wichtig. Es sei nunmehr öffentlich, dass ihnen großes Unrecht geschehen sei, so der Kommissionsvorsitzende Günther Sperk.

Die Kommission empfiehlt, dass auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse weitere Forschungsarbeiten folgen. Das Land Tirol und die beiden Universitäten werden sich daran beteiligen. Ob es auch monetäre Entschädigung für die Geschädigten geben wird, darüber muss sich aufgrund der neuen Erkenntnisse das Land Tirol jetzt wohl den Kopf zerbrechen, heißt es seitens der Untersuchungskommission.

Stefan Lindner, tirol.ORF.at