Gastarbeiterbabys landeten im Heim

In den 70er Jahren sind viele Kinder von sogenannten Gastarbeitern im Tourismus gleich nach der Geburt in Säuglingsheimen gelandet - oft gegen den Willen der Eltern. In dem Buch „Verwaltete Kindheit - der österreichische Heimskandal“ wird auch das thematisiert.

Das Buch der Autoren Irmtraud Karlsson und Georg Hönigsberger wird am Mittwoch präsentiert.

Eltern arbeiteten im Tourismus

In den 70er Jahren, als die Antibabypille aufkam und damit die Geburtenzahlen zurückgingen, sei die Zahl der Kinder in Säuglingsheimen durch damalige „Gastarbeiter“ gestiegen, meinen Historiker und die Soziologin Irmtraud Karlsson. Im Tourismus seien viele Gastarbeiter Frauen und Ehepaare gewesen, und denen habe man die Kinder gegen ihren Willen bereits im Spital weggenommen.

Viele Kinder hatten Mundfäule

Als „Skandal“ bezeichnet Karlsson den damaligen Umgang mit den Kleinkindern in den Heimen, konkret in Axams und Arzl. Nur über diese zwei Heime gebe es eine Untersuchung aus dem Jahr 1979. Dort waren damals fast die Hälfte der 70 Kinder Gastarbeiterkinder.

Die Autorin dieser Untersuchung, Edith Kaslatter, schildert, es habe viel zu wenig und ständig wechselndes Personal gegeben - die Kinder hätten keine Bezugsperson gehabt. Die Betreuerinnen seien nicht ausgebildete Krankenschwestern gewesen. Bei ihren Besuchen seien oft fünf oder sechs Betten im Hausgang gestanden, und alle Kinder hätten fürchterliche Mundfäule, eine sehr schmerzhafte Fiebererkrankung, gehabt.

Verbote und häufige Strafen

In ihrem Buch „Verwaltete Kindheit“ zitiert Karlsson außerdem: „Es wurden häufig Verbote und Befehle erteilt, geschimpft oder gestraft. Das Kind muss eigene Aggressionen verdrängen - und das führt zu Selbstaggressionen wie Nägelbeißen oder mit dem Kopf gegen harte Gegenstände schlagen.“ Karlsson hofft nun, dass intensiv erforscht wird, wie mit Kindern von Tourismusgastarbeitern umgegangen wurde und was aus ihnen geworden ist.

Keine Ansprüche auf Unterstützung

Es habe wohl mehrere Gründe gegeben, warum Gastarbeiterkinder in Heimen waren: Es gab praktisch keine Tagesmütter, keine Kinderkrippen und Anspruch auf Karenz erst nach 52 durchgehenden Arbeitsmonaten. „Unfreiwillig freiwillig“ brachten manche Mütter ihre Kinder ins Heim, oder das Jugendamt nahm diese wegen unzureichender Wohnungen mit. In den Akten, so Karlsson, stehe immer „Eltern wollen das Kind zu sich nehmen“, aber auch „keine Kochgelegenheit". „Viel gescheiter wäre gewesen, zu schauen, dass die Eltern mit dem Kind beisammen sein können“, so Karlsson weiter.

Auch aktuelle Untersuchungen gewünscht

Neben der Erforschung dieses Themas wünschen sich Karlsson und Koautor Hönigsberger vom „Kurier“ auch aktuelle Untersuchungen. Er glaube schon, dass vieles besser geworden sei. Aber gerade bei Behinderteneinrichtungen, Alters- und Pflegeheimen müsse man genau hinschauen. Da gebe es nach wie vor Anstalten, die für die dort „Einsitzenden“ mehr oder minder geschlossene Anstalten seien. Die Volksanwaltschaft, so der Wunsch, könnte über alle Heime und Wohngemeinschaften eine Studie verfassen, die dann breit und öffentlich diskutiert werden sollte.