Volkskultur-Gutachten zündet politische Debatte

Das Gutachten über die Volkskultur und ihre Rolle zur Nazi-Zeit hat eine breite Debatte ausgelöst. Der Verfasser wirft dem Land indirekt Untätigkeit in der aktuellen Aufarbeitung vor und bezeichnet den landesüblichen Empfang als „unzeitgemäß“. Das Land reagierte am Dienstag empört.

Der Autor der Studie, der Wiener Historiker Michael Wedekind, warf der Landesregierung vor, aktuell keine konkreten Maßnahmen zur Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Volkskultur und Politik zu ergreifen - mehr dazu in Gutachten über „Nazi“-Volksmusik fertig.

Im Gespräch mit der „Tiroler Tageszeitung“ präzisierte er, dass auch eine Debatte darüber notwendig sei, was sich hinter Schlagwörtern wie „Tradition“ und „Identität“ verberge. Den „landesüblichen Empfang“ bezeichnete Wedekind als unzeitgemäß. Er kritisierte weiter, dass der vom Land angekündigte, mit 100.000 Euro dotierte Schwerpunkt für Erinnerungskultur nicht Folge des Gutachtens, sondern schon in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben sei.

SPÖ: Geld an Problembewusstsein knüpfen

Die SPÖ forderte daraufhin laut „Tiroler Tageszeitung“ (Dienstag-Ausgabe), Förderungen für volkskulturelle Verbände davon abhängig zu machen, ob diese die eigene Geschichte - insbesondere die während der NS-Zeit - aufgearbeitet haben. Der Kultursprecher der SPÖ, Thomas Pupp, fordert eine Evaluierung und Neukonzeption des offiziellen Tirol-Auftritts. Man wolle aus der Aufarbeitung der Vergangenheit die notwendigen Schlussfolgerungen für die Gegenwart ziehen. Klar sei, dass Tradition und Moderne keine Widersprüche sein sollen, so Pupp in Richtung Landeshauptmann in einer Aussendung, aber „wo ist bei unseren landesüblichen Empfängen die Moderne?“, so Pupp.

ÖVP verwehrt sich gegen „Kriminalisierung“

Die ÖVP kommentierte die Debatte scharf. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sprach sich gegen eine Kriminalisierung von Brauchtum und Tradition aus. Wenn versucht werde, „Tiroler Brauchtum und Tradition pauschal in ein rechtes Eck zu rücken, dann geht das eindeutig zu weit. Ich lasse mir Tiroler Brauchtum und Tradition und insbesondere unsere Traditions- und Trachtenverbände nicht kriminalisieren! Von meiner Seite gibt es ein klares Bekenntnis zu Traditionspflege, zur festlichen Gestaltung landesüblicher Empfänge und zu den volkskulturellen Verbänden in Tirol“, führte der Landeshauptmann in einer Aussendung aus.

Die Tausende Tirolerinnen und Tiroler, die in Blasmusikkapellen, Schützenkompanien, Trachtenvereinen und sonstigen Verbänden tätig seien, leisten „einen unverzichtbaren Beitrag für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und für das kulturelle Gefüge unseres Landes“, so Platter weiter. Tirol sei traditionsbewusst und dennoch weltoffen, diese Positionen dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Wolf: „SPÖ pfeift auf Traditionsverbände“

ÖVP-Klubobmann Jakob Wolf sprach davon, dass die SPÖ auf die Traditionsverbände pfeife und sich von den Wurzeln des Landes verabschiede. Pupp habe nicht verstanden, welche Werte von den Verbänden hochgehalten werde. „Für uns sind alle, die sich um die Weitergabe und Pflege unserer Traditionen bemühen, wichtige Repräsentanten unserer Kultur und unseres Landes“, so Wolf, der „mit der neuen Haltung der Tiroler SPÖ nichts anfangen“ kann.