Scheidung auf tirolerisch: Lösung für Agrarstreit
250 Agrargemeinschaften verwalten in Tirol Gemeindegut - also Gemeindebesitz - und profitieren davon. Es geht um kolportierte 2000 Quadratkilometer Grund und Boden. Die Agrargemeinschaften sind vor Jahrzehnten verfassungswidrig in die Grundbücher gekommen, wie das Höchstgericht festgestellt hat. Als Entschädigung sollen alle nichtbäuerlichen Einnahmen in die Gemeindekassa fließen, doch das funktioniert nicht überall. Der Konflikt darüber soll durch Hauptteilungen gelöst werden.
Nutzungsverzicht gegen Eigentum
Bei einer Hauptteilung verzichten die Bauern auf ihre Nutzungsrechte z.B. an Wald, Weide und Streu. Im Gegenzug bekommen sie dafür einen Teil des Gemeindegutes fix in ihr Eigentum. Die Gemeinde bekommt den anderen Teil.
In der Agrarabteilung des Landes sieht man in diesem Modell sehr wohl Vorteile für die Gemeinden, z.B. dass sie lastenfreie Grundstücke ins Eigentum übertragen bekommen. „Das heißt, die Gemeinde ist nicht mehr abhängig von der Verwaltung der Agrargemeinschaft, sie muss nicht in die Organe der Agrargemeinschaft gehen, um bestimmte Maßnahmen umzusetzen,“ führt Christoph Baldauf aus, der stellvertretende Leiter der Abteilung Agrargemeinschaften im Landhaus.
Konträre Erfahrungen in den Gemeinden
Hauptteilungen gibt es schon länger. Die Erfahrungen damit sind allerdings sehr unterschiedlich, wie zwei Beispiele zeigen.
In Häselgehr ist die Hauptteilung schiefgegangen. Häselgehr wurde 1989 hauptgeteilt, 4.008 Hektar Gemeindegut waren aufzuteilen. 4000 Hektar bekamen die Bauern, acht Hektar die Gemeinde. Die Gemeinde sieht das heute als Affront. „Gelassen hat man der Gemeinde eine kleine Fläche mit Haselnussstauden hinter der Kirche, ein kleines Gewässer, das für nichts zu gebrauchen ist, und zwei Schluchten. Vor und hinter der Schlucht gehört alles schon wieder der Agrargemeinschaft“, berichtet Harald Friedle, Bürgermeister von Häselgehr.
Appell an Gemeinden: „Lasst die Finger davon!“
Friedle warnt Gemeinderäte und Bürgermeister nach diesen negativen Erfahrungen. „Es ist eine endgültige Teilung und es heißt: Etwas, das einem alleine gehört, braucht man nicht teilen!“
Neun von elf Gemeinderäten waren damals übrigens Agrarier. Der Bürgermeister ging zum Höchstgericht, das die Hauptteilung vergangenes Jahr wegen Rechtswidrigkeit aufhob.
Gemeindeanwalt: „Verloren für immer“
Für den Agrarexperten und Gemeindeanwalt Gerhard Mader sind Hauptteilungen unnötig. Gemeindeflächen seien dann unwiderbringlich verschenkt. „Natürlich! Man weiß ja nie, wie sich die Nutzungen und die Arten der Nutzungen verändern!“ Es gebe neue touristische Nutzungen, es könnten Bodenschätze oder andere Nutzungsmöglichkeiten gefunden werden in zehn, 15, 20, oder 30 Jahren, sagt Mader. „Die Gemeinde würde sich bei einer Hauptteilung für alle Zeiten einer solchen Nutzung und dem Profit der Nutzung entziehen“, so der Agrarexperte.
Zams: Es geht um Frieden, nicht um Zufriedenheit
Es gibt auch positive Erfahrungen mit der Hauptteilung, z.B. in Zams. In den 70er Jahren wurde dort das Gemeindegut aufgeteilt. In der Heimatgemeinde von Landeshauptmann Platter gab es damals sehr wohl Widerstände, heute herrsche Friede im Ort. „Ob man damit jetzt zufrieden ist oder nicht, sei dahingestellt. Wir haben jedenfalls das beste Übereinkommen mit der Agrargemeinschaft“, berichtet Bürgermeister Siegmund Geiger, Bürgermeister von Zams. „Wir reden miteinander, wenn wir irgendwelche Probleme miteinander haben, setzen wir uns zusammen und von daher habe ich überhaupt kein Problem mit dieser Hauptteilung“, sagt Geiger.
Zammer Bauern sehen sich nicht als Gewinner
Viereinhalb tausend Hektar Gemeindegut wurden aufgeteilt. Über 3000 davon bekamen auch hier die Bauern. Geschäft sei das für sie keines, schildert der Obmann der Agrargemeinschaft, Josef Hammerl. „Das ist gewiss kein Baugrund! Wir haben im Talboden in der Gemeinde Zams lediglich den Holzlagerplatz, ansonsten haben wir nichts. Der ganze Rest sind Ödland, Latschenflächen und Almflächen“, sagt Hammerl. Hammerl befürwortet die Hauptteilung, denn hinterher „weiß jede Partei, was sie mit ihrem Besitz machen kann“.
Die schwarz-grüne Regierung forciert die Hauptteilungen jetzt als Möglichkeit, die langjährigen Konflikte dauerhaft zu lösen. Für die Kritiker bleibt dieses Verfahren fragwürdig.