Heftige Debatte nach Gesamtschul-Kritik

In einem Zeitungsinterview hat Landesschulratspräsident Hans Lintner die Gesamtschule als „marxistisches Modell“ bezeichnet, die Lehre mit Matura in Frage gestellt und damit viel Staub aufgewirbelt. Vor allem die Grünen schäumen.

Auf Anfrage von tirol.ORF.at bestätigt der Landesschulratspräsident die Aussagen und erklärt, dass aus seiner Sicht die Gesamtschule ein gescheitertes Modell von vor über 100 Jahren sei. Gleichheit schaffe nicht Gerechtigkeit und die Gesamtschule sei keine Antwort auf die Zukunftsfragen in der Bildungspolitik, so Lintner. Auch die Lehre mit Matura ist kein Lieblingsmodell Lintners: „Ich sehe die Lehre mit Matura schaumgebremst, weil falsche Botschaften vermittelt werden“, wird Lintner in der Tiroler Tageszeitung zitiert. Wer diesen Weg einschlage, bleibe nicht mehr in seinem angestammten Beruf, „andererseits wird der Lehrberuf damit ab- anstatt aufgewertet“.

Heftige Kritik der Tiroler Grünen

Das Argument der Gleichmacherei werde nicht wahrer, wenn es ständig wiederholt wird, kritisiert der Grüne Landtagsabgeordnete Hermann Weratschnig die Aussagen Lintners. Gleichzeitig betont er, dass die schwarz-grüne Koalition in Tirol am Modellversuch einer gemeinsamen Schule der 10-14-Jährigen festhalten werde. Die Stadt Innsbruck habe bereits einen Arbeitskreis installiert.

Empört zeigt sich Weratschnig auch über die Aussagen Lintners bezüglich Lehre mit Matura: "Lintner braucht beim Thema Lehre dringend Nachhilfe. Ca. 700 Jugendliche der ca. 13.000 beschäftigten Lehrlingen in Tirol haben sich freiwillig für das Programm ‚Lehre mit Matura‘ in Tirol entschieden. Seit 2009 wird das Tiroler Modell auf ganz Österreich ausgeweitet und vom Bund gefördert.“

ÖVP irritiert, SPÖ fordert Abschaffung des Amtes

Wenig Freude mit den Aussagen Lintners hat man in der eigenen Partei. Die Tiroler Volkspartei forciert entgegen der Bundes-VP ja eine gemeinsame Schule - mehr dazu in Platter verspricht Gesamtschulmodell für 2014.
Bildungslandesrätin Beate Palfrader (VP) spricht sich für eine offene Annäherung an die gemeinsame Schule der 10-14-Jährigen aus. Dieses Modell funktioniere in zahlreichen europäischen Ländern ausgezeichnet, deshalb ist dieser Modellversuch auch im Koalitionspapier verankert und daran halten wir fest. Die Aussagen Lintners seien, so Palfrader, bedauerlich - auch was die Lehre mit Matura betrifft. Dieses Modell werde in Zukunft noch weiter ausgebaut.

Den idealen Zeitpunkt für die Abschaffung des geschäftsführenden Landesschulratspräsidenten sieht SP-Bildungssprecher Thomas Pupp gekommen: „Sollte Landeshauptmann Platter wirklich die Idee einer gemeinsamen Schule und den stufenweisen Ausbau einer Ganztagsschule mit verschränktem Unterricht wollen, so ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, Lintner aus seiner Funktion zu entbinden.“

Die Liste Fritz spricht von einer Hü-hott-Politik der ÖVP in Sachen Bildung und Schule und stellt deren Glaubwürdigkeit in der Bildungspolitik in Frage.

Auch Wirtschaftskammer und ÖGB reagieren

„Mit seinen aktuellen Aussagen zu Lehre und Matura sowie zur Gesamtschule hat sich Landesschulratspräsident Lintner grob vergriffen“, erklärt WK-Vizepräsident Martin Felder. Die Lehre mit Matura ist eine enorme Aufwertung für das duale System, wie sich aus den Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt habe, so Felder. Lehre und Matura bringt hohe Karrierechancen und eröffnet die Durchgängigkeit für alle weiterführenden Ausbildungen. Zudem sei es unprofessionell, die in Tirol stattfindenden Schulversuche zur Gesamtschule noch vor dem Vorliegen von Ergebnissen als marxistisch abzuqualifizieren.

Kritik an Lintner übt auch Tirols ÖGB-Vorsitzender Otto Leist. Dieser spricht von einer Herabwürdigung von Menschen, die sich freiwillig aus- und weiterbilden, um ihre Chancen am Arbeitsmarkt zu erhöhen. Mit solchen Äußerungen sei man in der heutigen Bildungslandschaft fehl am Platz.