Krise in Europa: Experten beruhigen

Beinahe täglich sorgen neue Meldungen über Euro-, Bankenkrise und Turbulenzen an den Börsen für Verunsicherung. Aus dieser Krise werde Europa gestärkt hervorgehen, zeigt sich Professor Gottfried Tappeiner von der Universität Innsbruck überzeugt.

Gottfried Tappeiner

Universität Innsbruck

Gottfried Tappeiner

Keine Alternative zum Euro

Europa brauche den Euro, weil es verlässliche Verhältnisse braucht, stellt Gottfried Tappeiner vom Institut für Wirtschaftstheorie, -politik und –geschichte der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck klar. Man habe leider schon vergessen, wie stark die Wechselkursschwankungen für alle Wirtschaftstreibenden aber auch für die Familien Sachen unberechenbar machten.

„Wenn man sich vor Augen führt, was es auslöst, wenn der Euro im Vergleich zum Dollar um 3 Cents steigt oder fällt, kann man sich gut vorstellen, was passiert, wenn alle Währungen Mark, Franc, Lira oder Schilling frei wackeln würden. Das würde für Exporte und Importe absolut unberechenbare Verhältnisse schaffen“, so Tappeiner. Außerdem wurde vergessen, dass wir für jedes Wechseln von einer Währung in die andere nicht unerhebliche Bankgebühren bezahlt haben.

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Schweiz kein Vorbild für Europa

„Die immer wieder angeführte Schweiz kann aber nicht für ganz Europa ein Vorbild sein. Auch die Schweiz hat derzeit ihre Probleme. Die Schweizer Industrie ist wegen des Wechselkurses derzeit international kaum noch konkurrenzfähig. Wenn die eigene Währung teurer wird, werden Exporte teurer. Das nehmen nicht alle Kunden hin, daher trifft dies nicht nur die Industrie sondern vor allem in den grenznahen Regionen in der Schweiz laufen die privaten Konsumenten davon und kaufen im Ausland ein.“

Keine Sorgen um Banken in Österreich

Um das Bankensystem in Österreich brauche man sich keine Sorgen zu machen. Es sei relativ stabil. Wer einen Euro-Kredit habe, sei von der Euro-Krise nicht unmittelbar betroffen. Betroffen seien jedoch die Inhaber von Fremdwährungskrediten. Da habe es sehr wohl Probleme gegeben. Aber das Schlimmste sei bereits vorbei, beruhigt Tappeiner. Es sei aber ganz klar, dass die Schulden nun höher seien als zuvor.

Kaum Zinsen für Einlagen

Wirtschaftsprofessor Tappeiner glaubt nicht an große Zinsänderungen. „Für Einlagen auf einem Sparbuch hat man vor der Euro-Krise kaum Zinsen erhalten. Das wird sich nach der Euro-Krise kaum ändern. Das Geld ist in Österreich aber sicher. Größere Summen hat man normalerweise nicht bar herumliegen, sondern in Wertpapiere investiert. Diese leiden unter den derzeit schlechten Börsenkursen, die durch die große Unsicherheit ausgelöst worden sind.“

„Erwachsenwerden tut weh“

Professor Tappeiner vergleicht Europa mit dem Erwachsenwerden eines Menschen.

Europa steckt noch in der Pubertät

"Die Pubertät ist eine wichtige Übergangsphase von der Kindheit zum Erwachsenwerden. Dort wird das Gehirn umgebaut, die Organe wachsen unterschiedlich schnell, deshalb gibt es Wachstumsfugen und Wachstumsschmerzen. Genau das kann man derzeit in Europa beobachten. Der Markt ist schnell und erfolgreich gewachsen. Politisch legitimierte Institutionen sind nicht so schnell gewachsen. Daher gibt es in Europa heute niemanden, der schnelle und klare Entscheidungen treffen könnte.

Das Techtelmechtel zwischen Sarkozy und Merkel kann das auch nicht ersetzen. Hier merkt man, dass politische Lösungen langsam und nicht sehr entschlossen sind. Für diese Unsicherheit bezahlen wir derzeit den Preis.

Aber wie die Pubertät bei dem Menschen auch irgendwann ins Erwachsensein übergeht, bin ich zuversichtlich, dass auch irgendwann Europa aus dieser Krise gestärkt hervorgeht.“

Tappeiner sieht keine Alternative zum Euro

Der Schilling habe nur überlebt, weil er sich sehr eng an die Deutsche Mark geklammert habe. Sonst wäre er schon früher verschwunden. Somit sei die Souveränität Österreichs in Währungsfragen schon sehr lange weg gewesen. Viele Vorteile, die der Euro biete, sehe man als normal an. Den Preis eines Zurückgehens würde niemand bereit sein zu bezahlen. Diese Kosten sind unvergleichlich hoch, warnt Tappeiner vor der Aufgabe des Euros.

Prof. Jürgen Huber, Inst. für Banken und Finanzen

Uni Innsbruck

Jürgen Huber

Verständnis für Verunsicherung

Für die Verunsicherung bei Menschen habe er Verständnis, räumt Jürgen Huber vom Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck ein.„Man wird von allen Seiten mit allerlei Meldungen wie Herabstufungen, Krise bombardiert, daher habe ich Verständnis für die Verunsicherung bei den Menschen. Ich bin aber überzeugt davon, dass es nicht besonders schlimm wird. Der Euro wird nicht untergehen. Die Unsicherheit wird aber noch einige Zeit andauern. Bis die akute Euro-Schuldenkrise gelöst sein wird, dauert es zumindest noch ein halbes Jahr.“

Erste Bank: 800 Millionen Verlust

Die Erste Bank wird heuer die Bilanz radikal „ausputzen“, um sich für kommende Unsicherheiten zu rüsten und erwartet für heuer 700 bis 800 Millionen Euro Verlust. Erst letzte Woche war die Bank Austria gemeinsam mit ihrer Mutter UniCredit herabgestuft worden.

Verlust der Erste-Bank vorerst nur buchhalterisch

„Die Verluste der Erste-Bank sind keine echten Verluste sondern Rückstellungen und buchhalterische Verluste als Reaktion auf ein Gesetz in Ungarn. Ungarn will nämlich seinen Bürgern erlauben, Franken-Kredite wesentlich billiger zurückzuzahlen. Wenn dieses Gesetz wirklich in Kraft tritt und die Bürger alle umtauschen, dann hätte die Erste-Bank Verluste. Diesen Fall hat die Bank bereits jetzt in ihren Büchern berücksichtigt,“ so Huber

Keine Sorgen um Erspartes

„Die Spareinlagen sind bis zu einer Höhe von 100.000 Euro wirklich gesichert. Wenn eine österreichische Bank ins Trudeln kommt – was ich derzeit aber nicht sehe - würde die auch vom Staat aufgefangen.“ Daher würde er, Huber, sich überhaupt keine Sorgen machen.

„Liliputaner managen Probleme“

Sorgen bereite ihm, dass in Anbetracht der Größe der Probleme „Liliputaner“ diese Probleme managen. Da sehe er politische Risiken.

Banken sollen Vertrauen ausstrahlen

Derzeit haben wir primär eine Vertrauenskrise. Die Menschen und Investoren sind verunsichert. Das führt zur Euro-Krise. Die meisten Banker verstehen dies und versuchen Vertrauen auszustrahlen. „Ich sehe mich nicht als Optimist sondern als Realist, wenn ich sage, dass es sehr, sehr harmlos kommen wird. Für die meisten Menschen wird sich die Welt so weiterdrehen wie bisher“, so Huber.

Erst mit 70 in Pension

Ein Sozialsystem wie in den 70er Jahren könne man sich einfach nicht mehr leisten. Schuld seien demographische Entwicklungen. Es sei zwar wunderbar, dass die Menschen immer älter werden, aber sie würden unverändert mit 58 Jahren in Pension gehen. Das könne nicht sein. Das reale Pensionsantrittsalter müsse in den nächsten Jahrzehnten Richtung 70 steigen. Das sehen zwar viele Menschen, aber es gäbe keine politische Aktion in diese Richtung. Das Pensionssystem werde man sicher massiv umbauen müssen. Je früher dieser Umbau erfolge, desto besser sei es.

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Krise in einem halben Jahr vorbei

Die Politiker in Europa wollen den Rettungsschirm auf stabile Beine stellen und ihn dann vielleicht vergrößern. Im Frühling 2012 werde es dann endlich die Pleite Griechenlands geben, so Huber. Der Schuldenschnitt wird durchgeführt und dann wird es ruhiger, weil dann endlich Sicherheit gegeben ist.