Barock in den Bergen: Alte Musik neu inszeniert

Das Temperament von Alessandro De Marchi, Leiter der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, unterscheidet sich gravierend von jenem seines schillernden Vorgängers. Keine Diva ist er, sondern akribischer Rekonstrukteur vergessener Partituren.

De Marchi sitzt vor der Kulisse der Seegrube

ORF

De Marchi inszeniert sich nicht als barocke Diva, denn seiner Meinung nach gebe es zu viele Selbstdarsteller im Musikgeschäft. Das penible Erforschen und akribische Rekonstruieren von vergessenen Partituren ist seine Leidenschaft und das sieht er auch als seine Hauptaufgabe, die er seit 2009 als Festwochen-Chef erfüllt.

Opera seria forderte die Geduld des Publikums

Diesen Sommer brachte er „Flavius Bertaridus, König der Langobarden“ auf die Bühne. 1729 in Hamburg uraufgerührt ist das die einzige „opera seria“ von Georg Philipp Telemann, der heute oft als viel komponierender Schnellschreiber unterschätzt wird.
Alessandro De Marchi bearbeitete die Partitur monatelang, ergänzte fehlende Stellen und präsentierte in Innsbruck die ungekürzte Fassung von vier Stunden und 40 Minuten. Regisseur Jens-Daniel Herzog, seit kurzem Intendant der Dortmunder Oper, gelang es, mit geschickter Personenführung, die Spannung auch über Stunden zu halten. Ein Teil des Festwochenpublikums goutierte diese Form des Regietheaters mit realistischen Darstellungen von „sex and crime“ nicht.

Oper mit historischem Bezug zu Innsbruck

„Romolo ed Ersilia“, die zweite Festwochenoper, passt besonders gut nach Innsbruck. Denn 1765 gab Kaiserin Maria Theresia das Werk bei ihrem Lieblingskomponisten Johann Adolph Hasse in Auftrag.

Anlass war die Hochzeit ihres Sohnes Erzherzog Leopold mit der spanischen Prinzessin Maria Ludovica in Innsbruck. 250 Jahre nach der Uraufführung erklang die mit komplizierten Koloraturen bestückte Barockoper zum ersten Mal wieder in Innsbruck.

Cesti-Wettbewerb: Nachwuchs für Barockopern

Eine Marktlücke erkannte der Maestro mit dem von ihm ins Leben gerufenen Gesangswettbewerb für Barockoper, benannt nach Pietro Antonio Cesti, dem Innsbrucker Hofkomponisten des 17. Jahrhunderts. 70 junge Sänger aus aller Welt stellten sich beim zweiten internationalen Cesti-Wettbewerb der mit Barockexperten und Casting-Direktoren prominent besetzten Jury.

Wer gewinnt, bekommt nicht nur das Preisgeld - 4.000, 3.000 oder 2.000 Euro für die ersten drei Plätze - sondern auch eine Auftritts-Chance bei den Innsbrucker Festwochen.

Auch mehrere szenische Produktionen

Alessandro De Marchi verteilt das Festwochenbudget demokratisch über alle Produktionen. Nicht nur zwei Barockopern, wie bisher üblich, sondern vier szenische Produktionen wurden gezeigt.