Causa Toni Sailer schlägt hohe Wellen

Die Veröffentlichungen neuer Fakten rund um einen angeblichen Missbrauchsfall in Zakopane 1974 schlagen hohe Wellen. Hochrangige Politiker üben heftige Kritik und sorgen damit wiederum für Kopfschütteln.

Was damals in der Nacht des 4. März 1974 in Zakopane tatsächlich passiert war, konnte die Journalistengruppe naturgemäß nicht mehr restlos klären. Neue Fakten belegen aber offenbar, dass die Vergewaltigungscausa damals von höchster politischer und diplomatischer Ebene flach gehalten wurde - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Platter spricht von „Sauerei“

Von einer miesen, pietätlosen Kampagne sprach Sportminister und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Donnerstag in einer schriftlichen Stellungnahme. Im Zuge des Tirolempfangs in Kitzbühel folgte weitere Kritik aus der Politik. Kitzbühels Bürgermeister Klaus Winkler (ÖVP) etwa bezeichnete die Veröffentlichungen der Journalistengruppe in seiner Ansprache als „Fake News“, von denen man sich nicht irritieren lasse.

Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sprach gegenüber der Nachrichtenagentur APA von einer „Sauerei“. Im ORF-Interview am Donnerstagvormittag argumentierte er damit, dass die Vorfälle von damals nicht mehr aufgeklärt werden könnten und man deshalb Sailer in Frieden ruhen lasse solle. Bei Missbrauchsfällen, die geklärt werden können, sei er selbstverständlich für eine lückenlose Aufklärung.

Nicht nur negative Stimmen

Nicht alle in Kitzbühel stehen den jüngsten Berichten so negativ gegenüber wie Teile der Politik. Der Leiter des Stadtarchivs, Wido Sieberer, etwa glaubt schon, dass eine Aufarbeitung notwendig sei, wenngleich das vor allem für die Kitzbüheler besonders schmerzlich sei.

Wenig verwundert über die Reaktionen aus der Politik reagierte Nicola Werdenigg, die ja vergangenes Jahr den Stein rund um Missbrauchsfälle im Sport ins Rollen gebracht hat - mehr dazu in Missbrauch: Werdenigg bricht Tabu auf. Auf ORF-Nachfrage betonte sie, dass die Politik nichts aus der Vergangenheit gelernt habe. Reflexartig würde sich die Politik über Fakten und Rechercheergebnisse echauffieren und so den gewohnten Mechanismus in Gang setzen.

Für Werdenigg ein Megavertuschungsskandal

Gleichzeitig betonte Werdenigg, dass es jetzt allerdings nicht mehr um die Vorwürfe gegen Sailer gehen dürfe, dieser könne sich nämlich nicht mehr rechtfertigen. Vielmehr hätte die Politik die Aufgabe, die Vertuschungsvorgänge, die sich damals zugetragen hätten, zu untersuchen und offenzulegen. Eine erste Aufarbeitung wäre in diesem Fall beispielsweise möglich, wenn man die vorliegenden Akten im Staatsarchiv und auch im Außenamt nicht unter Verschluss halten würde, so Werdenigg.

Journalisten stehen zu Veröffentlichung

Die Journalistengruppe rund um die Redaktion der Plattform Dossier hat sich nach wochenlanger Recherche ebenfalls mit der Frage beschäftigt, ob die Hintergründe der Causa Sailer noch einmal aufgekocht werden sollten. Man habe sich dafür entschieden, auch deshalb, weil die damalige Regierung durch massive Intervention in Polen Sailer offenbar keine echte Möglichkeit gab, sich den Vorwürfen zu stellen - mehr dazu in „Warum wir berichten“.

Stefan Lindner; tirol.ORF.at