Tiroler Urbiene - ein Kampf ums Überleben
Sendungshinweis:
„Österreich-Bild“, Sonntag, 21.6.2015, 18.25 Uhr in ORF2
Das Klima kann rau sein in den Bergen und vor allem sehr wechselhaft. Auf eine Hitzeperiode folgt nicht selten ein Kälteeinbruch. Häufig vorkommende Gewitter leiten oft einen Temperatursturz ein. Nicht selten fällt im Hochgebirge auch im Hochsommer Schnee. Bedingungen, die einem Bienenvolk viel Flexibilität abverlangen. Denn ein Bienenvolk hat nur im Frühling und Frühsommer Zeit - solange die Flora noch blüht -, Nektar und Pollen für den Winter zu sammeln.
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Fleißig, sparsam und widerstandsfähig
Die Braunelle - der Urtyp der Honigbiene in Tirol - ist ideal an die wechselnden Bedingungen in den Alpen angepasst. Sie beginnt im Vergleich zu anderen Rassen wesentlich später zu brüten und stellt während einer Kälteperiode im Frühjahr im Sommer sogar die Brut ein. Durch dieses typische Verhalten spart das Bienenvolk wichtige Ressourcen.
Weniger Brut bedeute allerdings auch, dass die Volksstärke - also die Anzahl der Bienen pro Volk - in der Regel etwas geringer als bei anderen Rassen ist. Mit mehr Fleiß gelingt es der Braunelle aber, dieses Defizit wettzumachen. So fliegt dieser spezielle Typ der dunklen Biene auch bei niedrigen Temperaturen noch aus, um Nektar und Pollen zu sammeln.
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Es gibt nur noch circa 1.000 Völker
War die dunkle Biene vor rund 100 Jahren noch flächendeckend in Tirol und in anderen Teilen Österreichs die vorherrschende Bienenrasse, wurde sie in den letzten Jahrzehnten von der Carnica, auch „Krainer Biene“ genannt, verdrängt. Österreichweit sind nur noch 1.000 Völker der dunklen Biene - ein Prozent des Gesamtbestandes an Honigbienen - registriert. Die Gründe dafür sind mannigfaltig, hängen aber in erster Linie mit dem Honigertrag, dem Sanftmut und dem Image der Bienen zusammen.
Gezielte Zucht soll Fortbestand sichern
Der dunklen Biene wird häufig ein äußerst aggressives Verhalten nachgesagt - unruhig auf der Wabe und stechlustig soll sie sein. Stimmt, sagt Meinrad Falkeis, Bienenzüchter im Kaunertal. Das rührt daher, dass die Braunelle über Jahrzehnte ohne gezielte Zuchtkriterien gehalten wurde. Genau in diesem Punkt hat Falkeis begonnen, mit einigen Imkerkollegen den Hebel anzusetzen.
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Vor rund 15 Jahren hat man begonnen, sich sozusagen auf Ahnenforschung zu begeben, und hat sieben Linien der Braunelle in Tirol festgestellt. Seither werden diese sieben Linien im Naturpark Kaunergrat aufwendig auf Sanftmut, Ertrag, Wabensitz und weitere wichtige Kriterien gezüchtet und weiterentwickelt. Mit beachtlichem Erfolg, wie Falkeis stolz berichtet. „Wir haben einige Linien mittlerweile so weit, dass sie der Carnica in nichts nachsteht, vor allem was die Sanftmut betrifft.“ Bei einem Lokalaugenschein demonstriert er, dass man ohne jeglichen Schutz mit den Völkern arbeiten kann.
„Nur eine Besonderheit wird man der Braunelle nicht abgewöhnen können. Das ist ihr ausgeprägtes Abwehrverhalten direkt am Flugloch. Sie ist halt eine typische Tiroler Biene“, meint der leidenschaftliche Bienenzüchter lächelnd.
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Imagepflege im Naturpark
Unterstützt werden Meinhard Falkeis und seine Kollegen bei dem ehrgeizigen Projekt zur Arterhaltung der Braunelle vom Landesverband für Bienenzucht und dem Naturpark Kaunergrat. Die Braunelle ist dort ein wesentlicher Bestandteil des Programms. Derzeit entsteht sogar ein eigener Bienenlehrpfad. Das ist für das Image der Tiroler Urbiene von großer Bedeutung, zeigt sich Falkeis dankbar.
Aus Sicht des Züchters ist es noch wichtiger, dass im gesamten Naturparkgebiet ausschließlich Braunelle-Bienenvölker aufgestellt werden dürfen. So ist nämlich gewährleistet, dass keine rassenfremden Drohnen den Braunelle-Königinnen bei ihren Begattungsflügen in die Quere kommen. Das allerwichtigste aber wäre, so Falkeis, wenn wieder mehr Bienenzüchter die Braunelle auf ihren Ständen halten würden. Dann erst sei der Fortbestand gesichert.
Stefan Lindner, tirol.ORF.at